Erst gerieten die globalen Lieferketten durch die COVID-19-Pandemie aus dem Takt und die Transportkosten explodierten. Nun setzt der Russland-Ukraine-Krieg noch eins obendrauf und beeinträchtigt zum Beispiel den Bahntransport aus Asien über Russland und Belarus auf der „neuen Seidenstraße“ – von den gestoppten Erdgaslieferungen aus Russland ganz zu schweigen. Zudem steigt im Fernen Osten das Risiko einer militärischen Konfrontation zwischen China und Taiwan.
In diesem Umfeld steigt bei deutschen Unternehmen mit Produktionsstandorten in Asien oder einer größeren Abhängigkeit von dortigen Lieferanten die Verunsicherung über die langfristige Resilienz ihrer Lieferketten. Eine wachsende Zahl erwägt ein sogenanntes Reshoring oder Nearshoring, also die Verlagerung von Produktionskapazitäten und Lieferantenbeziehungen an heimische Gestade („shores“) oder in deren geografische Nähe. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) plante schon im August 2021 rund jedes zwölfte deutsche Unternehmen, Teile seiner Produktion an neue Standorte zu verlagern. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine scheint sich dieser Trend zu beschleunigen: Laut einer aktuellen Umfrage des Technologiekonzerns ABB unter europäischen Führungskräften denken mittlerweile sogar 86 Prozent der deutschen Unternehmen darüber nach, ihr Geschäft zu re- oder nearshoren, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger zu machen.
Doch können Re- und Nearshoring wirklich die Lösung aller Lieferkettenprobleme sein? Wesentliche Vor- und Nachteile im Überblick: