Boom im Fahrradverkauf – wo radelt die Branche hin?

Lieber in die Pedale treten, als dicht gedrängt in Bus und Bahn reisen – zu Corona-Zeiten haben viele den guten alten Drahtesel neu für sich entdeckt. Ein boomendes Geschäft erleben insbesondere Hersteller von E-Bikes. Sie gehören zu den klaren Pandemie-Gewinnern. Das Fahrrad-Revival hat die Branche allerdings auch in die Bredouille gebracht: Von angespannten Produktionskapazitäten bis hin zu Lieferengpässen gibt es jede Menge Herausforderungen zu meistern.

Explodierende Nachfrage – Fahrradverkauf um 17% gestiegen

Die Fahrrad- und E-Bike-Industrie in Deutschland konnte sich 2020 über schwarze Zahlen freuen: Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) meldete für das Jahr beeindruckende Wirtschaftsdaten:

  • Der Absatz an E-Bikes und Fahrrädern stieg 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 16,9 Prozent. Insgesamt wurden 5,04 Millionen Stück abgesetzt.
  • Den größten Anteil am Erfolg nehmen E-Bikes ein. Der Verkauf stieg von 2019 auf 2020 um 43,4 Prozent.
  • Der Umsatz aller Zweiräder erhöhte sich um 60,9 Prozent auf insgesamt 6,44 Milliarden Euro.

Mobilität zählt zu den Megatrends unserer Zeit. Im Corona-Alltag hat sich umso mehr gezeigt, welche Rolle alternative Verkehrsmittel spielen. Das Zukunftsinstitut hat dazu bereits folgende These aufgestellt: In Zukunft wird sich das Auto mehr und mehr aus dem Stadtverkehr zurückziehen und den Weg unter anderem für E-Bikes freigeben. Ernst Brust, Geschäftsführer des ZIV, sieht im derzeitigen Fahrrad-Boom ebenfalls keinen kurzfristigen Trend – sondern vielmehr eine Trendwende: Er glaubt, dass sich Fahrräder und E-Bikes als unverzichtbares Verkehrsmittel durchsetzen werden. Denn Radverkehr ist nicht nur „infektionssicher“, sondern stellt auch eine aktive und umweltschonende Form der Mobilität dar.

Mehr Tempo, neue Herausforderungen – Branche ringt mit Problemen

Trotz guter Geschäftszahlen wurden Hersteller und Händler im Jahr 2020 durch einige Hürden ausgebremst. Die bisherigen Kapazitäten in der Produktion waren auf das plötzliche Nachfrageplus vielerorts schlichtweg nicht ausgelegt. Hinzu kam die Schwierigkeit mit Zulieferern: In Asien mussten zahlreiche Fabriken coronabedingt vorübergehend schließen oder konnten nur noch eingeschränkt produzieren.

Von Lieferproblemen berichtete unter anderem Branchenprimus Shimano. Einerseits sah sich das Unternehmen von einer immensen Auftragslage überrannt. Anderseits führten strikte Beschränkungen infolge der Pandemie dazu, dass die Produktion einen Dämpfer erhielt. Shimano hat sich infolge der Entwicklungen darauf vorbereitet, die Produktionskapazitäten 2021 nochmals um das 1,5-Fache zu steigern. Allerdings rechnet Shimano erst für August mit einem normalen Betrieb ohne weitreichende Einschränkungen durch die Pandemie. Lieferengpässe bestehen aktuell vor allem bei Rahmen und Gabeln aus Fernost.

Weshalb eine funktionierende Lieferkette für die Industrie äußerst wichtig ist, erklärt sich anhand der Besonderheiten in der Herstellung: Fehlt auch nur eine Komponente, kommt die Fertigung zum Stillstand.

Bis zu 20% teurer – Nachfrage drückt die Preise nach oben

Das große Umsatzplus im Corona-Jahr basiert nicht nur allein auf den Absatzzahlen. Fahrräder und E-Bikes haben sich verteuert. Bei den Ersatzteilen fielen die Kosten bereits um 15 Prozent höher aus. 2021 ist hier wahrscheinlich noch mehr zu erwarten: Verbände nehmen an, dass Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent möglich sind. Ein Fahrrad kostete im vergangenen Jahr im Schnitt 630 Euro, für E-Bikes gaben Käufer rund 2.975 Euro aus.

Hersteller machen steigende Logistikkosten seitens der Zulieferer, teure Frachtpreise und höhere Einkaufspreise für Rohstoffe für die Preiserhöhungen verantwortlich. Nicht zuletzt dürfte jedoch auch der einfache Marktmechanismus wirken: Wenn die Nachfrage steigt, ziehen nicht selten die Preise schnell nach. Händler sehen sich aktuell in der vorteilhaften Position, ihren Bestand ohne große Rabattschlacht veräußern zu können. Käufer müssen sich neben hohen Preisen zudem darauf einstellen, dass ihr Wunschmodell möglicherweise nicht gleich verfügbar ist. Händler und Hersteller raten daher Käufern dazu, das Velo ihrer Wahl frühzeitig zu reservieren.

Nachfrageboom digitalisiert die Branche

Etwa zwei Drittel aller Räder verkauft der Fachhandel. Dieser stand 2020 vor digitalen Herausforderungen: Viele Käufe ließen sich aufgrund von Ladenschließungen nur online abwickeln. Click & Collect eroberte damit auch die Fahrradbranche. Die Digitalisierung schritt damit schneller voran als vermutet.

Welche Vorteile digitale Lösungen sowohl für Anbieter als auch für Kunden bieten, erkannte die Firma Riese & Müller aus Hessen: Der Hersteller für E-Bikes, E-Cargo-Bikes und Falträder entwickelte für seine Händler einen innovativen Bike-Konfigurator. Dieser ermöglicht es den Händlern, ein Rad für ihren Kunden aus einer Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten zusammenzustellen. Außerdem berechnet der Online-Konfigurator den auftragsspezifischen Preis – so erfährt der Kunde direkt, was ihn sein neues Zweirad kostet. Für das Unternehmen gestaltet sich der Bestellprozess durch das neue Händlerportal automatisiert, was den administrativen Aufwand senkt und die Fehlerquote minimiert. Gleichzeitig behalten die Händler einen Überblick über ihre Bestellungen und erkennen Lieferengpässe frühzeitig.

An steigenden Umsätzen mitverdienen – was sind die Chancen?

Die Lust am Radeln deckt interessante Möglichkeiten für Anlegende auf. Investoren werden zunehmend auf die Umsatzzahlen der Fahrrad- und E-Bike-Industrie aufmerksam. Die Verbände CIE, CONEBI und ECF haben eine Prognose herausgegeben, die auf vielversprechende Chancen hinweist: Es ist davon auszugehen, dass die Stückzahl an verkauften E-Bikes von 3,7 Millionen im Jahr 2019 auf 17 Millionen im Jahr 2030 ansteigen wird.

Bislang gibt es unter den deutschen Herstellern keine börsennotierten Unternehmen. Zu den bekanntesten Aktiengesellschaften im internationalen Geschäft gehören der niederländische Radhersteller Accell und der Produzent Giant aus Taiwan. Die Aktie von Accell kletterte von rund 13 Euro Ende März 2020 auf über 46 Euro im Juni 2021. Investoren sollten dennoch gut recherchieren und eine geeignete Anlagestrategie entwickeln – wie lange der Trend tatsächlich anhält und welche Potenziale nach oben bestehen, können selbst Experten nicht zweifelsfrei voraussagen.

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