10.01.2023

Seil­bah­nen – die neue Art zu pen­deln

Im wahrsten Sinne des Wortes zur Arbeit oder zur Uni zu pendeln, könnte auch in deutschen Städten bald möglich werden. Erste Seilbahnprojekte zur Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs sind bereits in Planung. Bei uns lesen Sie mehr darüber.

Südamerika macht es vor

Sind Sie schon einmal mit der Seilbahn zur Arbeit gefahren? Und das obwohl Sie nicht in einer Berghütte, sondern mitten in der Stadt wohnen und arbeiten? In der bolivianischen Hauptstadt La Paz ist das für viele der fast eine Million Einwohner seit 2014 Alltag. Denn dort transportiert die „Mi Teleférico“, ein Netz aus mittlerweile zehn Seilbahnlinien mit einer Gesamtlänge von 33 Kilometern, täglich bis zu 300.000 Menschen quer durch bzw. über die Stadt. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern ist man in der staugeplagten Metropole dabei nicht nur relativ schnell, sondern auch günstig unterwegs: Eine einfache Fahrt kostet umgerechnet gerade einmal um die 45 Eurocent. Ein ähnliches, wenn auch nur etwa halb so großes Seilbahnnetz gibt es ebenfalls in Südamerika, in der kolumbianischen Stadt Medellín.

Auch in einigen anderen Städten weltweit fahren Seilbahnen, die nicht hauptsächlich dem Tourismus dienen. Sie überbrücken aber nur vergleichsweise kurze Strecken und bestehen zumeist auch nur aus einer Linie. In Zukunft könnte das bolivianische Beispiel weltweit jedoch zunehmend Schule machen. Denn vielerorts könnten (Luft-)Seilbahnen auch in größerem Maßstab eine sinnvolle Ergänzung zu anderen öffentlichen Verkehrsmitteln sein.

Vor­teile lie­gen auf der Hand

Seilbahnen –

  • sind insgesamt klimafreundlicher als Autos,
  • werden nicht durch Staus ausgebremst,
  • sparen vor allem im Umlaufbetrieb viel Zeit, weil sie immer verfügbar sind,
  • lassen sich vergleichsweise schnell sowie kostengünstig bauen und betreiben,
  • benötigen relativ wenig Platz und können barrierefrei gestaltet werden,
  • nutzen eine erprobte, weitgehend witterungsunabhängige Technologie,
  • machen Städte attraktiver für Besucher.

Demnächst in Deutschland?

Auch in Deutschland könnten Seilbahnen das Verkehrschaos in den Städten zumindest abmildern und zum Klimaschutz beitragen. Beispielsweise verbraucht ein Seilbahnsystem laut einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) pro 100 Passagierkilometern nur durchschnittlich 5,8 Kilowattstunden Strom – das ist in etwa die Hälfte an Energie, die U- oder Straßenbahnen benötigen.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Bau von Seilbahnen zur Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs in Deutschland voranzubringen. Schon 2019 hat es dafür einen „Arbeitskreis Urbane Seilbahnen“ eingerichtet und eine Studie über die stadt- und verkehrsplanerische Integration städtischer Seilbahnprojekte in Auftrag gegeben, die Ende 2022 als Leitfaden für die „Realisierung von Seilbahnen als Bestandteil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV)“ veröffentlicht werden soll. Bislang gibt es in Deutschland Seilbahnen, die nicht dem Bergtourismus dienen, nur in Koblenz und Berlin. Auch dort gehören, neben wenigen Berufspendlern, allerdings vor allem Touristen und Ausflügler zu den Nutzern, da für die Seilbahnen nicht die entsprechenden ÖPNV-Tickets gelten. Im Planungsstadium befinden sich Seilbahnprojekte derzeit in Bonn, wo erstmals eine Seilbahnverbindung in den ÖPNV einbezogen werden soll, sowie in Stuttgart. Diskutiert werden sie auch in München, wo eine Machbarkeitsstudie gerade eine der möglichen Trassenführungen für zu teuer befunden hat, sowie in Frankfurt am Main, wo Anfang 2023 ein „Masterplan Mobilität“ vorgelegt werden soll, der auch das Thema Seilbahn berücksichtigt.

So wie alle Verkehrsprojekte haben natürlich auch künftige Seilbahnprojekte bei allen Vorteilen mit Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen. Dabei geht es zum Beispiel um unerwünschte Einblicke aus den vorbeischwebenden Gondeln in Wohnungen oder auf Grundstücke, einen möglichen Schattenwurf oder erforderliche bauliche Eingriffe für Stationen und Stützen.

Sie interessiert das Thema urbane Seilbahnen?

Dann erleben Sie die „Mi Teleférico“ in La Paz doch einmal in Aktion! Dafür müssen Sie nicht nach Südamerika reisen. Viele Videos dazu gibt es auf der „Mi Teleférico“-Homepage.