10.02.2023

Wie CO₂-Fän­ger das Kli­ma ret­ten

Kohlendioxid im Übermaß schädigt das Klima. Ein Weg, die Folgen der bereits begonnenen Klimakatastrophe zu dämpfen, ist, den menschengemachten CO2-Ausstoß deutlich zu verringern. Doch es gibt noch einen anderen Rettungsweg, nämlich bereits ausgestoßenes CO2 aus der Atmosphäre wieder einzufangen.

Hinter dem Kürzel DAC+S könnte sich die Lösung vieler Probleme rund um den Klimawandel verbergen. DAC+S steht für „Direct Air Capture + Storage“, nur eine der Technologien, mit der sich klimaschädliches CO2 direkt aus der Luft einfangen und in Gesteinen oder unterirdischen Hohlräumen, wie sie zum Beispiel beim Abbau fossiler Brennstoffe entstehen, speichern lässt. Wenn man die bislang noch extrem hohen Kosten für die Technologie senken und diese in großem Stil einsetzen könnte, hätte man den „Heiligen Gral“ zur Vermeidung der Klimakrise gefunden, schwärmte beispielsweise jüngst Darren Woods, Chef des größten US-amerikanischen Öl- und Gaskonzerns Exxon Mobil, im Interview mit dem Handelsblatt. Die nicht ganz uneigennützige Hoffnung des Energiebosses: Man müsste dann nicht mehr die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen, um das Klima zu schützen – was dem aktuellen Geschäftsmodell von Exxon Mobil zugutekommen würde.

Gut zu wissen

Der „Heilige Gral“ ist der Legende nach ein Kelch, aus dem Christus beim Abendmahl getrunken haben soll. Seitdem gilt er als verschollen. Wer ihn findet, wird dadurch angeblich Macht, Erlösung und ewiges Leben erlangen.

CO2-Pro­blem trotz Klima­neu­tra­lität

Um die Erde von der Geißel des Klimawandels zu erlösen, scheint die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre unerlässlich. Das zeigt das Beispiel Deutschland: Trotz aller Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes werden hierzulande 2045, also im ersten Jahr der im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Frist zum Erreichen der Klimaneutralität, voraussichtlich noch jährlich fünf bis zehn Prozent der gegenwärtigen Treibhausgasemissionen ausgestoßen. So lautet ein Ergebnis der aktuellen Studie „CO2-Entnahmen: Notwendigkeit und Regulierungsoptionen“ des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und des Potsdam­Instituts für Klimafolgenforschung. Zum Ausgleich müsste Deutschland also in dieser Größenordnung Treibhausgas aus der Atmosphäre zurückholen.

Wett­lauf um die bes­te Tech­no­lo­gie

Weltweit forscht mittlerweile eine Vielzahl von Start-ups und etablierten Unternehmen sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch staatlicher Unterstützung an verschiedenen Methoden zum Einfangen und Speichern von CO2. Die EU-Kommission etwa hat dafür mit der Europäischen Investitionsbank und dem Breakthrough-Energy-Fonds des Milliardärs und Microsoft-Gründers Bill Gates ein 820 Millionen Euro schweres Programm aufgelegt.

Ein Beispiel für ein solches DAC-Start-up ist das 2009 gegründete Schweizer Unternehmen Climeworks, das jüngst mehr als eine halbe Milliarde Euro Investorengelder einsammelte. Im September 2021 hat Climeworks, dessen Name sich aus den englischen Begriffen für Klima („climate“) und Arbeit („work“) zusammensetzt, in Island die weltweit erste größere DAC+S-Anlage namens Orca in Betrieb genommen. Damit sollen jährlich 4.000 Tonnen CO2 eingefangen, unterirdisch an Basaltgesteinen gebunden und so gespeichert werden. Mit dem frischen Kapital will Climeworks bis 2027 zwei weitere DAC+S-Anlagen mit einer Kapazität von jährlich fast einer halben Million Tonnen CO2 in Island bauen.

Das Grundprinzip der Schweizer CO2-Fänger klingt einfach: Eine Art Ventilator zieht die CO2-haltige Luft an und leitet sie durch ein Filtermaterial, welches das Kohlendioxid aufnimmt. Anschließend wird das mit CO2 vollgesogene Filtermaterial auf 100 Grad erhitzt. Dadurch lösen sich die CO2-Moleküle wieder vom Filtermaterial und können mithilfe von Unterdruck aus dem Kollektor gesaugt werden. Das herausgefilterte konzentrierte CO2 wird dann in Wasser gelöst in mehrere Hundert Meter Tiefe gepresst, wo es innerhalb von etwa zwei Jahren mit Basaltgestein zu karbonatischen Mineralien wie zum Beispiel Kalk reagiert; es kann also nicht „aus Versehen“ wieder in die Atmosphäre entweichen. Ein Problem: Das Verfahren benötigt bislang noch sehr viel Energie und die ist vielerorts teuer. Effizient für die Umwelt ist es zudem nur dann, wenn die Energie aus erneuerbaren Quellen stammt – im Fall von Orca ist es die im vulkanisch hoch aktiven Island reichlich vorhandene Erdwärme.

Pro­mi­nen­te Unter­stützer

Langfristig könnten sich DAC-Anlagen jedoch selbst finanzieren und sogar zu einem einträglichen Geschäftsmodell werden. Zum einen könnten Industrien, die nicht umhinkommen, klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen, Geld an Unternehmen wie Climeworks zahlen, um ihren CO2-Ausstoß zu kompensieren. Zum anderen könnte das gefilterte CO2 auch verkauft werden. Abnehmer für CO2 ist zum Beispiel die Getränkeindustrie, Stichwort „Kohlensäure“.

Übrigens: Neben Bill Gates hat die Technologie noch mindestens einen weiteren sehr prominenten Unterstützer – Coldplay. Die sozial und ökologisch engagierte britische Rockband kompensiert auf ihrer aktuellen Welttournee einen Teil des dabei entstehenden CO2-Ausstoßes über die isländische DAC+S-Anlage von Climeworks.