Neue Kauflust – steht der Sommer des Einzelhandels bevor?

Dank sinkender Inzidenzen dürfen Läden vielerorts wieder Kunden begrüßen. Die Öffnungsschritte konnten für die Branche nicht dringender kommen: Der Corona-Lockdown drückte die Umsatzahlen zuletzt kräftig nach unten. Im Januar verzeichnete der Einzelhandel einen realen Rückgang von -8,7 Prozent zum Vorjahresmonat. Glücklicherweise kündigt sich nun eine Trendwende beim Konsumklima an. Immer mehr Deutsche schätzen ihre ökonomische Situation positiver ein – und kaufen wieder mehr.

Impfungen kurbeln Konjunktur an – Corona-Geimpfte kauffreudiger

In Deutschland geht die COVID-19-Impfkampagne voran: Mittlerweile hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten. Was im ersten Moment vielleicht etwas ungewöhnlich erscheint: Mit den Impfzahlen geht gleichzeitig die Konsumlaune nach oben – diese Erkenntnis meldete kürzlich das Marktforschungsinstitut GfK, das in einer Studie das Einkaufsverhalten der Deutschen im Zusammenhang mit den Corona-Lockerungen untersucht. Die Befragung Mitte Juni (GfK Covid-19 Barometer) liefert interessante Daten:

  • Heute sehen deutlich weniger Personen die Corona-Pandemie als große Bedrohung an. Seit Beginn der Krise ging der Wert erstmals signifikant zurück. Nur noch 42 Prozent der Befragten fühlen sich durch das Virus bedroht.
  • 62 Prozent schätzen ihre ökonomische Situation besser ein, sie machen sich nur noch wenig oder keine Sorgen. Bei den vollständig Geimpften sind es lediglich 28 Prozent, die sich um ihre finanzielle Lage sorgen. Mit 40 Prozent sind es unter den Impfwilligen ohne Impfung dagegen noch etwas mehr.

Gastronomie, Shopping und Reisen – wo wollen Deutsche ihr Geld ausgeben?

Im ersten Corona-Jahr haben sich viele Konsumenten und Konsumentinnen in puncto Ausgaben zurückgehalten – angesichts geschlossener Läden, Reisewarnungen und abgesagter Veranstaltungen gab es dafür ohnehin weniger Anlässe. Das soll sich nun ändern. Laut der GfK-Studie planen viele Deutsche, einige Käufe und Ausgaben nachzuholen:

  • Bei den Befragten in der Altersgruppe unter 30 Jahren liegen vor allem Besuche von Restaurants und Events hoch im Kurs. Oben auf der Liste steht neben Reisen, Fitness, Wellness und Beauty zudem der Kauf von Artikeln aus der Kategorie Bekleidung.
  • Ältere Personen über 60 freuen sich ebenfalls, wieder mehr auf Reisen zu gehen und im Restaurant zu essen. Außerdem wollen die Befragten häufiger Veranstaltungen besuchen.
  • Der Impfstatus hat dabei klare Auswirkungen auf die Ausgabenbereitschaft. Beispielsweise planen fast die Hälfte der jungen Menschen mit Impfung eine Urlaubsreise. Ungeimpfte geben sich zurückhaltender, nur 28 Prozent von ihnen wollen künftig mehr in Urlaubsreisen investieren.

Dieser Trend stellt für den Einzelhandel vielversprechende Weichen – schließlich nimmt der Anteil der geimpften Bevölkerung in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu. Einen kleinen Dämpfer gibt es dennoch für einige Händler zu verkraften: Gemäß der Umfrage planen die Befragten beispielsweise bei technischen Konsumgütern keine größeren Anschaffungen.

Bemerkt der Einzelhandel die höhere Ausgabenbereitschaft?

Das Konsumbarometer des Handelsverband Deutschland (HDE) sieht bei der Konsumneigung der Deutschen einen leichten Aufschwung: Nach einem Tief im Februar 2021 kletterte der Indexwert von 94,36 Punkten auf 97,65 Punkte im Juni 2021. Zwei Jahre zuvor im Juni 2019 vor der Corona-Pandemie lag dieser Wert noch bei 100,3 Punkten. Konkret ausgedrückt bedeutet die Indexentwicklung: Deutsche Konsumenten bescheren dem Einzelhandel aktuell einen guten Sommer, komplett vergessen ist die Krise allerdings noch nicht.

Der HDE gab deshalb in einer Meldung im Juni bekannt, dass die Händler sowohl wachsende Umsatzzahlen als auch eine positive Kundenfrequenz beobachten. Nichtsdestotrotz kommen viele Geschäfte bislang nicht von staatlicher Unterstützung los. Insbesondere Bekleidungs- und Schuhläden ringen mit den hohen Umsatzverlusten des vergangenen Jahres. Nahezu ein Drittel aller befragten Schuhhändler befürchtet, ihr Geschäft ohne staatliche Hilfe endgültig schließen zu müssen. Die Bundesregierung kündigte bereits eine Verlängerung der Überbrückungshilfen an: Bis September 2021 erhalten betroffene Unternehmen und Soloselbstständige die Überbrückungshilfe III Plus. Anspruch auf Hilfen haben Handelsunternehmen mit mindestens 30 Prozent Corona-bedingten Umsatzverlusten.

Was die Umsatzzahlen zusätzlich beeinflusst: Manche Konsumenten dürften größere Anschaffungen noch im vergangenen Jahr getätigt haben – denn die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent bzw. ermäßigt von 7 auf 5 Prozent endete zum 31. Dezember 2020. Damit fiel im neuen Jahr 2021 ein wichtiger Kaufanreiz weg. Immerhin 10 Prozent gaben im August des vergangenen Jahres laut einer Befragung von Statista an, durch die Mehrwertsteuersenkung mehr Lust aufs Einkaufen zu haben.

Gestiegener Optimismus – Einzelhändler profitieren sehr unterschiedlich

Die positive Konsumneigung bekommen nicht alle Einzelhändler gleich zu spüren. Während der Online- und Versandhandel zweistellige Wachstumsraten erlebte, bedeutete die Krise für zahlreiche stationäre Händler eine stetige Existenzangst. Das Geschäftsklima könnte daher aktuell zwischen den Handelsbranchen kaum unterschiedlicher ausfallen.

Vor allem der Einzelhandel in den Innenstädten steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Der Handelsverband Deutschland erklärt, dass noch nicht alle Einkaufenden in die Innenstädte zurückgekehrt sind: Im Schnitt sind es 16 Prozent weniger als vor der Pandemie. Ein 10-Punkte-Plan anlässlich der Bundestagswahl soll den Händlern aus der Krise helfen: Der HDE fordert unter anderem einen staatlich finanzierten „City-Bonus“ in Form eines Gutscheins, der mehr Bürger und Bürgerinnen in die stationären Handelsbetriebe lockt. Auch stehen Forderungen nach verlässlichen Sonntagsöffnungen im Raum.

Tipp

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, lokale Händler zu unterstützen: Kaufen Sie zum Beispiel Kaffee bei einer Rösterei aus Ihrer Heimatstadt oder nutzen Sie den Lieferservice eines Restaurants, das Sie vor der Krise gerne besucht haben.