12.05.2022

Was smarte Stoffe leisten können

Wenn der Smartphone-Akku mal wieder leer ist, zum Aufladen einfach die Jacke anziehen und eine Runde spazieren gehen. Was nach Science-Fiction klingt, ist am Leibniz-Institut für Photonische Technologien in Jena bereits Realität. Denn dort haben die Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit einem Textilhersteller smarte Textilien entwickelt, die ihren Träger autark, also unabhängig von anderen Quellen, mit Energie versorgen.

Mit Körperwärme Strom erzeugen 

Das Geheimnis dahinter sind hauchdünne thermoelektrische Generatoren, die Körperwärme in Strom umwandeln können. Das Gewebe wird dafür mit einem Film aus sogenanntem aluminiumdotierten Zinkoxid beschichtet. Der Begriff Dotieren bedeutet in diesem Fall, dass Aluminium in ein Kristallgitter aus Zink- und Sauerstoffatomen eingebracht und damit dessen Leitfähigkeit erhöht wird. Der Strom entsteht dann vereinfacht gesagt durch den Temperaturunterschied zwischen der Hautoberfläche und der Umgebungstemperatur und lässt sich in einem Akku speichern.

Fürs Gesundheitswesen und die Arbeitswelt von morgen

Ein Anwendungsgebiet für die smarten Stoffe sind sogenannte „Wearables“, kleine, tragbare (engl. „wearable“) Geräte. Dazu gehören zum Beispiel Smartwatches, also Armbanduhren mit Internet-Zugang, oder Fitness-Tracker. Letztere messen Daten wie Pulsfrequenz, Kalorienverbrauch, zurückgelegte Distanz oder die Anzahl der gelaufenen Schritte. Das ermöglicht es, sein Training zu optimieren und gesteckte Ziele im Blick zu behalten. „Smartwatches oder Fitnessarmbänder werden direkt am Körper getragen und lassen sich auf diese Weise jederzeit mit Strom versorgen“, sagt Arbeitsgruppenleiter Dr. Jonathan Plentz vom Leibniz-Institut.

Der thermoelektrische Effekt lässt sich auch zur Kühlung nutzen. Ein mögliches Anwendungsgebiet ist die Stahlindustrie: Die Hitze an den Hochöfen lässt die Körpertemperatur der Arbeiter steigen – ein in die Schutzkleidung integriertes Kühlgewebe könnte dagegenhalten.

Auch in anderen Arbeitsumgebungen versprechen die smarten Textilien mehr Komfort. Durch ihre kühlenden Eigenschaften wären zum Beispiel Feuerwehrleute im Einsatz noch besser geschützt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten bieten sich im medizinischen Umfeld, etwa um die Körpertemperatur bei Fieber zu regulieren.

Noch mehr technische Textilien

Ebenfalls um Strom erzeugende Textilien geht es beim Projekt PhotoTex. In diesem Projekt entwickelt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme in Dresden textile, biegsame Solarzellen. Eine konkrete Anwendungsmöglichkeit: Mit dem Glasfasergewebe könnten künftig Lkw über ihre Planen Sonne tanken und so Strom etwa für Kühlaggregate erzeugen. Bislang werden diese zumeist mit Dieselkraftstoff betrieben. Auch Gebäudefronten, die für herkömmliche Solarzellen nicht geeignet sind, könnten künftig mit smarten flexiblen Abspanntextilien an den Außenwänden oder über Glasfassaden mit Solarzellen-Rollos Strom erzeugen.

Die Zeiten, als Stoffe allein zum Wärmen oder als Schutz dienten, könnten also schon bald vorbei sein.