Energie und Nachhaltigkeit

Klimaschutz mit Hindernissen

Was Unternehmen über den neuen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) wissen sollten.

„Und noch ei­ne neue Ver­ord­nung, mit der wir uns be­fas­sen müs­sen.“ Das dürf­ten in die­sen Wo­chen vie­le Un­ter­neh­mens­ver­ant­wort­li­che an­ge­sichts des neu­en CO2-Grenz­aus­gleichs­sys­tems den­ken. Wor­um es da­bei geht? Am 17. Mai 2023 ist die EU-Ver­ord­nung 2023/956 zur Schaf­fung ei­nes „Car­bon Bor­der Ad­just­ment Me­cha­nis­m“, kurz CBAM, in Kraft ge­tre­ten. Sie gilt seit dem 1. Ok­to­ber 2023. Mit die­sem „CO2-Zol­l“ will die Eu­ro­päi­sche Uni­on künf­tig Ein­fuh­ren aus Dritt­län­dern be­le­gen, um den Aus­stoß von Koh­len­di­oxid (CO2), der dort bei der Pro­duk­ti­on von Wa­ren ent­steht, beim Im­port in die EU so zu be­prei­sen wie bei in Eu­ro­pa her­ge­stell­ten Pro­duk­ten. Der CBAM soll nicht nur den glo­ba­len Kli­ma­schutz vor­an­brin­gen, in­dem er der Ver­la­ge­rung von CO2-Emis­sio­nen („car­bon le­a­ka­ge”) in Dritt­län­der ent­ge­gen­wirkt, son­dern auch da­für sor­gen, dass hie­si­ge Her­stel­ler im Hin­blick auf die Treib­haus­gas­kos­ten die­sel­ben Wett­be­werbs­chan­cen ha­ben wie ih­re Mit­be­wer­ber au­ßer­halb der EU. Die wich­tigs­ten Fra­gen und Ant­wor­ten rund um die neue EU-Ver­ord­nung.

Welche Waren sind vom CBAM betroffen?

Nach der­zei­ti­gem Stand sind fol­gen­de Pro­dukt­grup­pen be­trof­fen:

  • Alu­mi­ni­um (ein­schlie­ß­lich nach­ge­la­ger­ter Pro­duk­te)
  • Dün­ge­mit­tel (ein­schlie­ß­lich Vor­pro­duk­ten, u. a. Am­mo­ni­ak, Ka­li­um­ni­trat)
  • Ei­sen (ag­glo­me­rier­te Ei­sen­er­ze und -kon­zen­tra­te)
  • elek­tri­sche En­er­gie
  • Stahl (ein­schlie­ß­lich nach­ge­la­ger­ter Pro­duk­te)
  • Was­ser­stoff
  • Ze­ment

Lang­fris­tig dürf­te die EU den Wa­ren­kreis ver­grö­ßern. In der Dis­kus­si­on ist bei­spiels­wei­se die Ein­be­zie­hung von Kunst­stof­fen, Che­mi­ka­li­en, Mi­ne­ral­öl­pro­duk­ten und mög­li­cher­wei­se auch von Pa­pier-, Ton- und Glas­pro­duk­ten.

Ab wann wird der CO2-Zoll erhoben?

Die Um­set­zung des CBAM ist am­bi­tio­niert. Sie be­ginnt mit ei­ner bis zum 31. De­zem­ber 2025 gel­ten­den Über­gangs­pha­se. Die­se will die EU-Kom­mis­si­on un­ter an­de­rem da­für nut­zen, sich ei­nen Über­blick über die tat­säch­lich bei der Her­stel­lung ein­ge­führ­ter Wa­ren an­fal­len­den Emis­sio­nen zu ver­schaf­fen. Un­ter­neh­men müs­sen des­halb die di­rek­ten und in­di­rek­ten Emis­sio­nen, die im Pro­duk­ti­ons­pro­zess der von ih­nen im­por­tier­ten Gü­ter ent­ste­hen, er­mit­teln, do­ku­men­tie­ren und da­zu ei­nen vier­tel­jähr­li­chen CBAM-Be­richt ver­fas­sen – erst­ma­lig bis zum 31. Ja­nu­ar 2024 für das drit­te Quar­tal 2023. Der Be­richt muss fol­gen­de An­ga­ben ent­hal­ten:

  • Ge­samt­men­ge je­der im­por­tier­ten Wa­ren­art in Ton­nen (bei Strom in Me­ga­watt­stun­den), auf­ge­schlüs­selt nach den An­la­gen, in de­nen die Wa­ren im Ur­sprungs­land her­ge­stellt wur­den
  • Tat­säch­li­che ge­sam­te graue Emis­sio­nen in Ton­nen CO2-Emis­sio­nen pro Ton­ne je­der Wa­ren­art (bzw. Me­ga­watt­stun­de bei Strom). Graue Emis­sio­nen sind Treib­haus­gas­emis­sio­nen, die wäh­rend des ge­sam­ten Le­bens­zy­klus ei­nes Ma­te­ri­als oder Pro­dukts ent­ste­hen.
  • CO2-Preis, der in ei­nem Ur­sprungs­land für die mit den ein­ge­führ­ten Wa­ren ver­bun­de­nen grau­en Emis­sio­nen ent­rich­tet wer­den muss
  • Wur­de im Her­kunfts­land be­reits ein CO2-Preis ge­zahlt, ist dies im Quar­tals­be­richt zu ver­mer­ken.

Wich­tig: In der Über­gangs­pha­se wird noch kein fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich fäl­lig. Erst ab dem 1. Ja­nu­ar 2026 kommt der CBAM voll­stän­dig und flä­chen­de­ckend zur An­wen­dung.

Was gilt für die CBAM-Implementierungsphase ab dem 1. Januar 2026?

Ab An­fang 2026 dür­fen nur noch CBAM-au­to­ri­sier­te Zol­lan­mel­der („aut­ho­ri­zed CBAM de­clar­ants”) be­zie­hungs­wei­se de­ren in­di­rek­te Ver­tre­ter Wa­ren in der EU zur Ein­fuhr an­mel­den. Die Zoll­be­wil­li­gung kann ab dem 31. De­zem­ber 2024 be­an­tragt wer­den. Die di­rek­ten und in­di­rek­ten Treib­haus­gas­emis­sio­nen, die bei der Her­stel­lung der in die EU ein­ge­führ­ten Wa­ren ent­stan­den sind („em­bed­ded emis­si­ons“), müs­sen ab 2026 ge­naus­tens be­rech­net wer­den. Ein­ge­reicht wer­den kön­nen die Da­ten mit der so­ge­nann­ten CBAM-Er­klä­rung – ab 2026 ein­mal jähr­lich bis zum 31. Mai ei­nes je­den Ka­len­der­jah­res. Für die ent­spre­chen­den Men­gen an Emis­sio­nen müs­sen dann über ei­ne zen­tra­le Platt­form kos­ten­pflich­ti­ge CBAM-Zer­ti­fi­ka­te er­wor­ben wer­den. Die­se wer­den auf An­trag durch die Zoll­be­hör­den be­wil­ligt. Die CBAM-Zer­ti­fi­ka­te sind eben­falls je­weils am 31. Mai fäl­lig. Lie­gen bei der Ein­fuhr von CBAM-Wa­ren kei­ne CBAM-Zer­ti­fi­ka­te vor und/oder wur­den fal­sche An­ga­ben ge­macht, dro­hen fi­nan­zi­el­le Sank­tio­nen. Im schlimms­ten Fall wird der Sta­tus des au­to­ri­sier­ten Zol­lan­mel­ders ent­zo­gen.

Wie wird der CO2-Preis für die eingeführten CBAM-Produkte berechnet?

Der Preis für ein CBAM-Zer­ti­fi­kat rich­tet sich nach dem durch­schnitt­li­chen Wo­chen­preis für EU-Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­te (EU-ETS). Da­bei ent­spricht ein CBAM-Zer­ti­fi­kat ei­ner Ton­ne aus­ge­sto­ße­ner Emis­sio­nen an CO2 (Koh­len­stoff­di­oxid), N2O (Dis­tick­stoff­mon­oxid) oder FKW (per­fluo­rier­te Koh­len­was­ser­stof­fe) im Her­stel­lungs­pro­zess der im­por­tier­ten Gü­ter. Ei­ne Ver­rin­ge­rung der ab­zu­ge­ben­den CBAM-Zer­ti­fi­ka­te ist nur mög­lich, wenn im Her­kunfts­land be­reits ein CO2-Preis ge­zahlt wur­de. Über Ein­zel­hei­ten des eu­ro­päi­schen Emis­si­ons­han­dels in­for­miert die Web­site der Deut­schen Emis­si­ons­han­dels­stel­le.

Was müssen betroffene Unter­nehmen jetzt tun?

Be­trof­fe­ne Un­ter­neh­men und Im­por­teu­re soll­ten das The­ma CBAM un­ver­züg­lich auf ih­re Agen­da set­zen – die Uhr tickt. Die di­rek­ten und in­di­rek­ten Emis­sio­nen erst­ma­lig zu be­rech­nen und zu do­ku­men­tie­ren, ist ein kom­ple­xes Un­ter­fan­gen und be­dingt ei­nen rei­bungs­lo­sen Da­ten­aus­tausch in­ner­halb der glo­ba­len Lie­fer­ket­ten. In­so­fern kann es hilf­reich sein, pro­fes­sio­nel­le Hil­fe an Bord zu ho­len. Das kann ein ex­ter­ner Dienst­leis­ter sein, auch die Ex­per­ten der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern vor Ort sind ge­eig­ne­te An­sprech­part­ner. In Deutsch­land ist der­zeit noch of­fen, wel­che Be­hör­de für die na­tio­na­le Um­set­zung von CBAM zu­stän­dig sein wird. Fest steht hin­ge­gen die CBAM-Durch­füh­rungs­ver­ord­nung, die am 15. Sep­tem­ber 2023 im Amts­blatt der EU L228 in al­len Amts­spra­chen ver­öf­fent­licht wur­de. Sie legt die Be­richts­pflich­ten für Im­por­teu­re de­tail­liert dar. Wei­te­re In­fos gibt es bei der EU-Kom­mis­si­on.

Viel Bürokratie, umstrittener Nutzen

In­wie­weit der CBAM zu ei­nem Vor­teil oder ei­nem Hin­der­nis für die deut­sche Wirt­schaft wird, muss sich noch zei­gen. Zu­nächst ein­mal stellt das CBAM-Sys­tem je­doch ins­be­son­de­re für klei­ne und mitt­le­re Un­ter­neh­men ei­ne gro­ße ad­mi­nis­tra­ti­ve Be­las­tung dar, zu­mal die Vor­be­rei­tungs­zeit ver­gleichs­wei­se kurz ist. Zu­dem er­war­tet die Mehr­heit der vom CBAM be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men in Deutsch­land durch den CO2-Zoll nicht nur ho­he Kos­ten, son­dern ent­ge­gen den Zie­len der EU-Kom­mis­si­on auch ei­nen ne­ga­ti­ven Ein­fluss auf ih­re Wett­be­werbs­fä­hig­keit. „Für die deut­sche Wirt­schaft ist es in Zei­ten der En­er­gie­kri­se wich­ti­ger denn je, dass eu­ro­päi­sche Kli­ma­schutz­am­bi­tio­nen nicht zum in­ter­na­tio­na­len Wett­be­werbs­nach­teil wer­den", kri­ti­siert DIHK-Au­ßen­wirt­schafts­chef Vol­ker Trei­er den CBAM. Ins­be­son­de­re für en­er­gie­in­ten­si­ve Bran­chen sei­en mög­lichst welt­wei­te ein­heit­li­che Wett­be­werbs­be­din­gun­gen nötig.

Stand: Dezember 2023; alle Angaben ohne Gewähr
Bildnachweis: Adobe Stock / Olivier Le Moal

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