Finanzierung

Insolvenz: Oft Chance für einen Neustart

Wie sich Unternehmen mithilfe einer geplanten Insolvenz sanieren können.

Es ist ei­ne düs­te­re Be­stands­auf­nah­me: Laut dem Jah­res­gut­ach­ten 2024/25 des Sach­ver­stän­di­gen­rats für Wirt­schaft ist das deut­sche Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP) von 2019 bis 2024 re­al nur um ins­ge­samt 0,1 Pro­zent ge­wach­sen. Das deut­sche Pro­duk­ti­ons­po­ten­zi­al liegt dem­nach um mehr als 5 Pro­zent un­ter dem Wert, der im Jahr 2019 für das Jahr 2024 er­war­tet wur­de. Laut den Wirt­schafts­ex­per­ten wird die deut­sche Volks­wirt­schaft so­wohl von kon­junk­tu­rel­len als auch von struk­tu­rel­len Pro­ble­men aus­ge­bremst.

Auch 2025 ist trotz des jüngst von Bun­des­tag und Bun­des­rat ver­ab­schie­de­ten Hun­der­te Mil­li­ar­den Eu­ro schwe­ren Fi­nanz­pa­kets nur mit ei­nem ge­rin­gen BIP-Wachs­tum zu rech­nen. Denn ih­re vol­le Wir­kung dürf­te die schul­den­fi­nan­zier­te Fis­kal­sprit­ze erst ab dem kom­men­den Jahr ent­fal­ten kön­nen. Vor die­sem Hin­ter­grund rech­net der Kre­dit­ver­si­che­rer Al­li­anz Tra­de für das lau­fen­de Jahr in Deutsch­land er­neut mit ei­nem spür­ba­ren An­stieg der Un­ter­neh­mens­in­sol­ven­zen. Im ver­gan­ge­nen Jahr war die Zahl der Fir­men­plei­ten deut­lich um 22 Pro­zent ge­stie­gen. Für 2025 pro­gnos­ti­zie­ren die Volks­wir­te von Al­li­anz Tra­de ei­ne wei­te­re Zu­nah­me um 10 Pro­zent auf rund 24.300 Fäl­le.

Chancen für einen Neustart

Das Risiko einer Insolvenz ist für die meisten Unternehmer natürlich ein absolutes Schreckensszenario. Jedoch muss eine Insolvenz nicht unbedingt eine Katastrophe sein, die mit der Aufgabe des Unternehmens endet. Sie bietet Unternehmen vielmehr auch die Möglichkeit, geordnet ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen und nach durchlaufenem Verfahren saniert weiterzumachen. Statt zu resignieren, ist es sinnvoll, zunächst die Chancen und Herangehensweisen, die das Insolvenzrecht kriselnden Unternehmen bietet, auszuloten und dann je nach Bedarf aktiv zu nutzen.

Zeichnet sich ab, dass Schulden oder Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern nicht mehr beglichen werden können, ist es ratsam, sich zunächst mit einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer mit Insolvenzrecht-Expertise auszutauschen. Dieser hilft bei der Ermittlung des Insolvenzstatus und begleitet im besten Fall das zukünftige Verfahren. Gängige Verfahren sind neben der Regelinsolvenz die Insolvenz in Eigenverwaltung und die Insolvenz im Schutzschirmverfahren. In beiden Varianten verbleibt die Leitung des Betriebs weitgehend in den Händen der bisherigen Geschäftsführung. Wichtig: Um Sanierungschancen optimal nutzen zu können, sollte der Insolvenzantrag in jedem Fall so früh wie möglich gestellt werden.

Es gibt darüber hinaus bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz zwei weitere Vorgehensweisen für Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften, um die Leitung des Betriebs zu behalten und selbst an der Sanierung zu arbeiten:

  1. Die Freigabe des Betriebs aus der Insolvenzmasse. Gegen die Zahlung einer gewissen Summe kann die Firma vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse entlassen werden. Der Unternehmenskauf erfolgt durch eine Betriebsübernahmegesellschaft und wird als sogenannter „asset deal“ ausgestaltet. Dies bedeutet, dass Wirtschaftsgüter (englisch: „assets“) wie Grundstücke, Gebäude, Anlagen, Maschinen, Patente und Vorräte erworben und auf den Käufer übertragen werden.
  2. Gründung einer Auffanggesellschaft. Vor der Zahlungsunfähigkeit und einem möglichen Insolvenzantrag gründet der Inhaber oder Geschäftsführer eine Auffanggesellschaft. Hier stellt er sich selbst an. Dieser Schritt sollte unbedingt juristisch begleitet werden.

So läuft die Regelinsolvenz ab

Nach dem Stellen des Insolvenzantrags beginnt zunächst ein Eröffnungsverfahren, das in erster Linie dem Schutz der Insolvenzmasse dient. In dieser Phase werden die Verfahrensvoraussetzungen geprüft: Der Insolvenzantrag wird danach entweder abgelehnt oder das Insolvenzverfahren wird durch gerichtlichen Beschluss eröffnet. Ist Letzteres der Fall, übernimmt ein Insolvenzverwalter die Geschäfte mit dem Ziel, die Forderungen der Gläubiger weitestgehend zu befriedigen. Dazu stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: die Sanierung des Betriebs, der Verkauf und die Zerschlagung des Unternehmens. Mit dem Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer Frist von höchstens drei Monaten beim Insolvenzverwalter anzumelden und etwaige Sicherungsrechte mitzuteilen. Schuldner sind angehalten, Zahlungen nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten.

Neue Regeln für die Zahlungsunfähigkeit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juni 2022 geurteilt, dass die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit, gestützt auf „mehrere tagesgenaue Liquiditätsstatus in aussagekräftiger Anzahl“, zulässig ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2022 - II ZR 112/21). Bislang musste die Zahlungsunfähigkeit mit einem Berechnungsansatz ermittelt werden, der in Form einer Liquiditätsbilanz die Aktiva I zuzüglich im dreiwöchigen Prognosezeitraum zufließender Aktiva II den Verbindlichkeiten gegenüberstellt. Wenn ein Unternehmen innerhalb des Prognosezeitraums nicht mindestens 90 Prozent seiner Verbindlichkeiten bedienen konnte, galt es als zahlungsunfähig und musste einen Insolvenzantrag stellen. Gemäß der BGH-Entscheidung ist es jetzt auch möglich, an jeweils drei Stichtagen innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes einen vereinfachten Liquiditätsstatus zu erstellen. Hierfür werden einfach die Aktiva I (zum Stichtag präsente Geldmittel aus Kasse, Bank und Forderungen) und die Passiva I (zum Stichtag fällige Verbindlichkeiten) einander gegenübergestellt. Ein Betrieb ist danach zahlungsunfähig, wenn ausgehend vom Stichtag an mehreren Tagen im Prognosezeitraum eine Liquiditätslücke mit einer erheblichen Unterdeckung ausgewiesen wird, die nicht geschlossen werden kann.

Die Chan­cen, ein Un­ter­neh­men durch ein ge­ord­ne­tes In­sol­venz­ver­fah­ren vor der end­gül­ti­gen Plei­te zu ret­ten, ste­hen üb­ri­gens nicht so schlecht, wie man den­ken könn­te. Das zeigt bei­spiel­haft der „Fi­nan­ce“-In­sol­venz­re­port der Re­struk­tu­rie­rungs­be­ra­tung Fal­ken­steg, nach dem die Ret­tungs­quo­te der Gro­ß­un­ter­neh­men (Um­satz grö­ßer als 20 Mil­lio­nen Eu­ro), die 2023 In­sol­venz an­mel­den muss­ten, bis zum Stich­tag 31. De­zem­ber 2024 bei im­mer­hin 51 Pro­zent lag.

 

Stand: April 2025; alle Angaben ohne Gewähr.
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