Investitionen

Lieferkettenprobleme langfristig lösen

Warum Unternehmen jetzt den Ausbau ihrer Lager­kapazitäten prüfen sollten.

Niedrigere Kosten, kurze innerbetriebliche Wege, Reduzierung von „Ladenhütern“: Das sind entscheidende Vorteile eines geringen Lagerbestands oder sogar einer Just-in-time-Beschaffung. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn alle Glieder der Lieferkette perfekt ineinandergreifen. Kommt es, so wie jüngst durch den Russland-Ukraine-Krieg oder die Folgen der Coronavirus-Pandemie, zu Störungen in der Supply-Chain, kann das für Unternehmen erhebliche negative Folgen haben. Im schlimmsten Fall steht die Produktion still, weil wichtige Bauteile fehlen. Lukrative Aufträge gehen dann mangels Lieferfähigkeit möglicherweise an die Konkurrenz.

Schon bei einer bundesweit durchgeführten Umfrage der Industrie- und Handelskammern am Jahresbeginn 2022 hatten 84 Prozent der deutschen Industriebetriebe mittlere bis erhebliche Lieferschwierigkeiten gemeldet. Damit war bereits vor Kriegsausbruch eine deutliche Mehrheit der Unternehmen mit Problemen in ihren Lieferketten konfrontiert. Im März beklagten dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zufolge rund 60 Prozent der Unternehmen zusätzliche kriegsbedingte Störungen in der Lieferkette und in der Logistik. Insbesondere für Deutschlands mittelständische Industriebetriebe hat sich die Lage demnach schon kurz nach dem Kriegsbeginn teilweise dramatisch zugespitzt: „Diese Unternehmen stehen derzeit von zwei Seiten unter Druck: Sie bekommen selbst weniger Vorprodukte oder – wie vor allem bei Energie – nur zu sehr hohen Preisen. Zugleich können sie die Kostensteigerungen nur teilweise an ihre Kunden weitergeben und selbst wegen der Verzögerungen in der eigenen Lieferkette immer schlechter liefern“, sagt DIHK-Vizepräsident Ralf Stoffels.

Störanfällige Lieferketten nicht nur in Pandemiezeiten

Angesichts der aktuellen Herausforderungen plant laut Umfragen des DIHK mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen, ihre Lieferketten anzupassen, oder ist bereits dabei, dies zu tun. Doch nicht nur in Kriegs- und Pandemiezeiten gilt: Je globaler eine Lieferkette aufgestellt ist, desto größer ist ihre Störanfälligkeit – vor allem, wenn nur ein einzelner Lieferant oder Lieferanten aus nur einer Region am Anfang der Kette stehen. Die Bandbreite möglicher Störfaktoren reicht von singulären Problemen beim Lieferanten, etwa einem Produktionsausfall durch Feuer oder Streik, über regionale Ereignisse wie zum Beispiel Naturkatastrophen oder politische Unruhen bis hin zu Transportproblemen, wie es sie beispielsweise 2021 infolge der Containerschiffshavarie im Suezkanal gab.

Lagerstrategien auf dem Prüfstand

Experten empfehlen deshalb vor allem Unternehmen, die von Zulieferungen aus dem Ausland abhängig sind, ihre Lagerstrategie zu überdenken und gegebenenfalls die Lagerhaltung wichtiger Vorprodukte der Just-in-time-Lieferung vorzuziehen. „Neben einer stärkeren Reintegration von Produktionsprozessen in das eigene Unternehmensnetzwerk sollten eine geringere Betonung der Just-in-time-Produktion und ein Ausbau der Lagerhaltung geeignete Maßnahmen sein, um globale Lieferketten robuster gegenüber den verzögerten Auswirkungen von Pandemien zu machen“, schreibt etwa Prof. Dr. Hartmut Egger von der Universität Bayreuth in einem Diskussionspapier des ifo-Instituts. 

Dabei geht es vor allem darum, die möglichen Folgekosten von Lieferausfällen gegen die einer zumindest teilweisen Umstrukturierung der Lieferketten abzuschätzen. Gegen eine Abkehr vom Just-in-time-Prinzip spricht grundsätzlich, dass geringe Lagerbestände die Kapitalkosten und damit die Schulden eines Unternehmens reduzieren – was sich wiederum positiv auf dessen Bonität auswirkt. Eine realistische Schätzung der potenziellen Kosten eines Ereignisses wie der Coronavirus-Pandemie sollte in die Kosten-Nutzen-Kalkulation einer Produktionsverlagerung und/oder Just-in-time-Produktion eingehen, betonen im selben Papier Prof. Dr. Holger Görg und Saskia Mösle vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. In einigen Fällen könne aber eine ausreichende Lagerhaltung günstiger ausfallen als die Organisation der Produktion in weltweiten Wertschöpfungsketten.

Um den Wert der Risikoabsicherung für den Fall von Lieferengpässen gegen den Kapitaleinsatz für die Lagerung abzuwägen, können die folgenden Fragestellungen helfen:

  • Welche Produkte oder Vorprodukte sind für die Produktion besonders wichtig und sollten deshalb immer vorrätig sein?
  • Sind die benötigten Produkte überhaupt lagerfähig (z.B. Lebensmittel)?
  • Welche Lagerkapazitäten stehen aktuell zur Verfügung und werden sie bereits vollständig genutzt?
  • Lässt sich vorhandene Lagerkapazität am Standort erweitern?
  • Was kostet die Anmietung oder der Kauf von Lagerflächen in der Nähe des Produktionsstandorts?
  • Welche Kosten würde der Transport vom Lager zur Produktionsstätte verursachen (Neuanschaffung bzw. Miete sowie Betrieb von Fahrzeugen)?
  • Muss für die Ausweitung der Lagerhaltung neues Personal eingestellt werden (Verfügbarkeit und Kosten)?

Fällt die Entscheidung zugunsten einer erweiterten Lagerhaltung aus, gilt es diese zu finanzieren. Unternehmen stehen dafür verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Mehr Liquidität zur Vorfinanzierung von zum Beispiel Rohstoffen und Vorprodukten oder das Anmieten von Lagerflächen lässt sich zumeist auch kurzfristig über eine Ausweitung der Kreditlinie realisieren. Auch der Forderungsverkauf (Factoring) kann dafür unter Umständen interessant sein. Geht es um Investitionen in eigene Lagerkapazitäten, kommen Investitionskredite oder auch Leasing infrage.

Stand: Juli 2022
Bildnachweis: iStockphoto / kupicoo

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