Wohnimmobilien: Wo sich Kaufen gegenüber Mieten lohnt

Medieninformation vom 07.07.2022
Das HWWI analysiert Kauf- und Mietpreise in Relation zum Einkommen • Big-7-Großstädte: Kreditrate überall höher als Miete • In mehr als einem Viertel der Landkreise und kreisfreien Städte ist kaufen günstiger

Postbank Wohnatlas 2022:
Wohnimmobilien: Wo sich Kaufen gegenüber Mieten lohnt

Die Wohn­kosten in Deutsch­land steigen seit Jahren – für Mieter*innen wie Käufer*innen. Für den Postbank Wohn­atlas hat das Ham­burgische Welt­Wirtschafts­Institut (HWWI) durch­ge­rechnet, wie hoch die Ein­kommens­anteile sind, die in ein­zelnen Regionen durch­schnitt­lich für die Netto­kalt­miete be­ziehungs­weise die Kredit­zahlung auf­zu­bringen sind. Regionale Unter­schiede bei Miet- und Immo­bilien­preisen flossen mit ein. Der je­weilige Ein­kommens­anteil wurde auf Basis der durch­schnitt­lichen regional ver­füg­baren Haus­halts­ein­kommen für eine 70-Quadrat­meter-Wohnung berechnet. Für die Finan­zierung einer Immo­bilie legte das HWWI einen Zinssatz von 1,6 Prozent, eine An­fangs­til­gung von 3 Prozent, Notar­ge­bühren von 2 Prozent und 20 Prozent Eigen­kapital zu Grunde. Neben­kosten wie Grund­er­werb­steuer oder Um­bauten sind nicht berück­sichtigt.

Nach einer Faust­formel sollte Wohnen nicht mehr als 30 Prozent des ver­füg­baren Haus­halts­ein­kommens kosten. Da dies auch die gestiegenen Wohn­neben­kosten ein­schließt, sollen sich Mieter und Käufer bei Netto­kalt­miete und Annuitäten eher an der 25 Prozent-Linie orientieren. Danach wäre 2021 in 367 von 401 Land­kreisen und kreis­freien Städten der Kauf einer 70-Quadrat­meter-Wohnung für einen Durch­schnitts­haus­halt finan­zier­bar gewesen, ergibt der Wohn­atlas. Ein Jahr zuvor waren es noch 378 Kreise und Städte.

Jeder fünfte deutsche Haus­halt lebt in einer der 111 Regionen, in denen weniger als 12,5 Prozent des ver­füg­baren Haus­halts­ein­kommens aus­reichen, um die laufende Kredit­zahlung für eine 70-Quadrat­meter-Eigen­tums­wohnung zu finanzieren. Dem­gegen­über müssen Immo­bilien­eigen­tümer*innen in zwölf Regionen mehr als 30 Prozent des durch­schnitt­lichen regionalen Haus­halts­ein­kommens für die laufenden Kredit­zahlungen ausgeben. Darunter fallen die Groß­städte München, Berlin, Ham­burg, Frank­furt, Pots­dam, Frei­burg und Heidel­berg. Spitzen­reiter ist mit 46,3 Prozent aller­dings der Land­kreis Nord­fries­land, zu dem auch die Nord­see­inseln Föhr, Am­rum und Sylt gehören. Auch die bayerischen Land­kreise Mies­bach und Garmisch-Paten­kirchen, der nieder­sächsische Land­kreis Aurich mit den Inseln Baltrum, Juist und Norder­ney sowie der Land­kreis Vor­pommern-Rügen über­schreiten die 30-Prozent-Marke. Jeder vierte Haus­halt lebt in einer der 60 Regionen, in denen durch­schnitt­lich min­destens 22,5 Prozent des regional ver­füg­baren Ein­kommens für die Finan­zierung der Eigen­tums­wohnung auf­ge­wendet werden müssen.

Bei den Netto­kalt­mieten bleibt die an­teilige durch­schnitt­liche Ein­kommens­be­lastung mit Aus­nahme der bayerischen Landes­haupt­stadt München (26,8 Pro­zent) unter­halb der 25-Prozent-Schwelle. Aller­dings kommen sie dieser in Frei­burg, Heidel­berg und Frank­furt mit min­des­tens 24 Pro­zent schon relativ nah. In Berlin hat sich der Ein­kommens­anteil für die Netto­kalt­miete einer 70-Quadrat­meter-Wohnung gegen­über dem Vorjahr um 0,3 Pro­zent­punk­te auf 23,4 Prozent erhöht.

Einkommensbelastungen für Immobilienkäufer*innen steigen

Die HWWI-Modell­rechnung zeigt, dass der Ein­kommens­anteil für Miet­aus­gaben im Vergleich zum Vorjahr im Durch­schnitt über alle Land­kreise und kreis­freien Städte stagniert. Da die Netto­kalt­mieten im Schnitt nicht stärker als die Ein­kommen anstiegen, mussten die Bürger wie im Vorjahr 14,2 Prozent des regional ver­füg­baren Haus­halts­ein­kommens für die Netto­kalt­miete aus­geben. Anders hin­gegen sieht es bei den Finan­zierungen von Eigen­tums­wohnungen aus. Da die Kauf­preise im Durch­schnitt stärker als die Ein­kommen zulegten, mussten Eigen­tümer*innen 2021 mit 16,3 Prozent für eine 70-Quadrat­meter-Wohnung einen höheren Anteil ihres Ein­kommens als noch im Vorjahr (14,7 Pro­zent) ein­planen. In Groß­städten und den Big 7 nebst Umland lag das Plus mit durch­schnitt­lichen 1,8 Prozent­punkten noch darüber.

„Auch im dritten Jahr der Pan­demie ist Wohn­eigen­tum weiter hoch gefragt. Die Kauf­preise stiegen im ver­gangenen Jahr wieder deutlich stärker als die Miet­preise“, sagt Eva Grun­wald, Leiterin Immo­bilien­geschäft Postbank. Ein Ende des generellen Immo­bilien­booms sei noch nicht in Sicht, die An­zeichen dafür mehrten sich jedoch in einigen Regionen. Grunwald: „Wer sich zum Kauf ent­schließt, muss in der Regel höhere monat­liche Ein­kommens­be­las­tungen hin­nehmen als in der Ver­gangen­heit. Dazu können In­flation, höhere Energie­kosten oder Pandemie-Folgen zusätzliche Aus­gaben ver­ur­sachen oder es kann sich die Ein­nahme­situation ändern. In­teres­sent*innen sollten genau prüfen, ob sie die Fi­nan­zierung lang­fristig auch dann noch stemmen können, wenn sich ihre finan­zielle Situation ändern sollte.“

Große Ein­kommens­anteile für Wohn­eigen­tum in Big 7 not­wendig

Die aus­einander­laufen­den Preis­ent­wick­lungen bei den Netto­kalt­mieten und den Immo­bilien­preisen fallen in den Ballungs­räumen besonders ins Auge: In den Big 7 geht die Schere zwischen den Ein­kommens­be­las­tungen durch Mieten oder Kaufen immer weiter auf. Während der Anteil des Ein­kommens für die Netto­kalt­miete in den größten sieben deutschen Städten 2021 im Durch­schnitt um 0,2 Prozent­punkte auf 22,7 Prozent sank, stieg die Be­lastung durch die Finan­zierung von Wohn­eigen­tum noch­mals deutlich an. 34,3 Prozent ihres ver­füg­baren Ein­kommens mussten Durch­schnitts­käufer*innen in den Big 7 für die monat­liche Raten­zahlung einer Eigen­tums­wohnung im ver­gangenen Jahr im Schnitt ein­planen. Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 31,6 Prozent.

In die Finan­zierung von 70 Quadrat­metern Wohn­eigen­tum aus dem Bestand flossen laut Modell­rechnung in München 2021 im Schnitt 44 Prozent des durch­schnitt­lichen örtlichen Haus­halts­ein­kommens – obwohl die Münchener über die höchsten regionalen Haus­halts­ein­kommen unter den Big Seven verfügen. Berlin folgt mit 38,8 Prozent vor Hamburg und Frankfurt mit 36,3 Prozent und 35,6 Prozent. Den fünften Platz belegt Düssel­dorf. Die Stadt am Rhein hatte im Vorjahr noch die letzte Position unter den Big 7 ein­ge­nommen. Diese besetzt jetzt Stutt­gart mit 28 Prozent. Damit ver­bleiben einem durch­schnitt­lichen Käufer in der baden-württem­bergischen Landes­haupt­stadt 16 Prozent mehr an Haus­halts­ein­kommen als einem Immo­bilien­besitzer in der bayerischen Landes­haupt­stadt München nach Kauf einer 70-qm-Wohnung.

Besonders groß fielen die Unter­schiede zwischen Kauf- und Miet­belastung in München aus. Mieterinnen und Mieter mussten in der bayerischen Haupt­stadt durch­schnitt­lich rund 27 Prozent ihres Ein­kommens für die Netto­kalt­miete auf­bringen. Für Käufer*innen stieg der Anteil auf 44 Prozent – also 17 Prozent­punkte mehr. In Berlin und Hamburg betrugen die Abstände 15,4 und 14,8 Prozent­punkte. In Frankfurt und Düssel­dorf waren es 11,6 bzw. 10,2 Prozentpunkte. In Köln und Stutt­gart hingegen war der Auf­schlag für einen Kauf deutlich geringer. Hier reicht der regel­mäßige Einsatz von zu­sätz­lichen 6,2 Prozent be­ziehungs­weise 5,2 Prozent des Haus­halts­ein­kommens gegen­über einer Miet­zahlung aus, um Wohn­eigen­tum er­werben zu können.

Hier lohnt sich der Immo­bilien­kauf gegenüber der Miete

„Die HWWI-Modell­rechnung zeigt aber auch, dass sich jenseits der Metro­polen be­sonders für Käufer*innen, die ihre Immo­bilie selbst bewohnen wollen, ein genauerer Blick lohnt. Es lassen sich weiter­hin Eigen­tums­wohnungen finden, deren Finan­zierung günstiger ist als die Miete. In mehr als jeder vierten Region waren 2021 Eigen­tümer*innen gegen­über Mieter*innen finan­ziell im Vorteil“, sagt Grunwald. In 114 Land­kreisen und kreis­freien Städten musste der durch­schnitt­liche Haus­halt geringere oder gleiche hohe Anteile des Haus­halts­ein­kommens für die Finanzierung aufbringen als Mieter*innen für die örtliche Netto­kalt­miete.

Am stärksten schlug das Pendel zugunsten des Wohnungs­kaufs in vielen länd­lichen Gebieten Ost­deutsch­lands aus. Im Durch­schnitt über alle Regionen des jeweiligen Bundes­landes sparten Wohnungs­käufer*innen in Sachsen-Anhalt und Thüringen 2,5 Prozent­punkte ihres ver­füg­baren Ein­kommens, wenn sie kaufen statt mieten. In Sachsen beträgt die Differenz 0,8 Prozent­punkte. In Sachsen-Anhalt finden Käufer*innen in elf von 14 Regionen gute Voraus­setzungen. Die Band­breite reicht vom Jerichower Land mit einem Unter­schied von 5,2 Prozent­punkten (11,4 Prozent für Miete gegenüber 6,2 Prozent für Kredit­rate) bis zum Land­kreis Harz mit einem Ab­stand von 1,7 Prozent­punkten (12,4 Prozent für Miete gegenüber 10,7 Prozent für Kredit­rate) beim verfüg­baren Haus­halts­ein­kommen. Nur im Saale­kreis und den beiden Groß­städten Halle und Magde­burg bindet der Kauf mehr Ein­kommen als das Mieten. In Thüringen ist Kaufen ebenfalls nur in den Städten Jena, Erfurt und dem Weimarer Land ein­kommens­inten­siver als das Mieten. In den anderen 19 Regionen des Bundes­landes bieten sich für Käufer Ein­kommens­vor­teile in Höhe von 5 Prozent­punkten im Land­kreis Hild­burg­hausen (11,3 Prozent für Miete und 6,3 Prozent für Kredit­rate) bis 0,7 Prozent­punkte in der Stadt Suhl (12,7 Prozent für Miete und 12,0 Prozent für Kredit­rate).

Eigentum bedeutet Vermögens­aufbau

Allerdings ist es selbst­ver­ständlich kein Aus­schluss­kri­terium für einen Kauf, wenn die Kosten für die Kredite mehr Ein­kommen binden als die Miete. „Eigen­tümer*innen be­treiben im Gegen­satz zu Mieter*innen einen Ver­mögens­auf­bau. Das recht­fertigt in vielen Fällen einen Aufpreis“, sagt Postbank-Expertin Grunwald. „Immo­bilien­besitz ist immer auch eine Ab­sicherung für das Alter und macht zudem un­ab­hängig von künf­tigen Miet­preis­steigerungen.“ Nehmen Kauf­interessierte einen geringen Zuschlag für den Eigen­tums­erwerb von höchs­tens fünf Prozent­punkten gegen­über der Miete in Kauf, kommen laut Postbank Wohnatlas neben den bereits genannten 114 Regionen weitere 220 Regionen in Frage. Viele davon sind in Bayern und Baden-Württem­berg, aber auch in Nord­rhein-West­falen (NRW) und Rhein­land-Pfalz. Auch Groß­städte sind darunter: Einen minimalen Aufschlag von 0,1 Ein­kommens­prozent­punkten auf die Miet­be­lastung zahlen Käufer*innen in Dort­mund (NRW), 0,2 Prozent­punkte ergeben sich für Magde­burg (Sachsen-Anhalt), Wolfs­burg (Nieder­sachsen) und Rem­scheid (NRW). 0,1 Prozent­punkte Differenz ergeben sich auch für die Mittel­stadt Worms (Rhein­land-Pfalz) sowie die Land­kreise Wesel, Kleve und Waren­dorf (alle in NRW), den Schwalm-Eder-Kreis (Hessen) sowie den Land­kreis St. Wedel (Saar­land).

Groß­städte: Kauf­preis­vor­teile über­wiegend in Nord­rhein-West­falen

Jenseits der Big Seven finden sich 14 Groß­städte, in denen Käufer gegen­über Mietern einen leichten Vorteil haben. Im Vorjahr waren es noch 25. Wer in Gelsen­kirchen, Herne und Bremer­haven den Schritt von der Miete ins Wohn­eigen­tum wagt, hat einen Ein­kommens­vorteil von min­destens zwei Prozent­punkten. In Duis­burg, Ober­hausen und Salz­gitter beträgt er durch­schnitt­lich mehr als einen Prozent­punkt. 11 der 14 Groß­städte mit Ein­kommens­vor­teilen beim Kauf gegen­über der Miete liegen in Nord­rhein-West­falen. Die weiteren sind: Hagen, Hamm, Bochum, Wupper­tal, Krefeld, Mönchen­gladbach und Bottrop.

„Nach Kauf eines Eigen­heims geringere Aus­gaben als bei einer Miet­zahlung zu haben, klingt ver­lockend. Doch eine Kauf­ent­scheidung sollte nie nur vom Vergleich der Ein­kommens­belastungen abhängig gemacht werden“, sagt Grunwald. „Der Wohn­atlas liefert Kauf­interes­sierten zwar wichtige Hin­weise für die Ent­scheidungs­findung, es sollten jedoch möglichst viele weitere Faktoren berück­sichtigt werden. Denn eine ebenso große Rolle spielt die indivi­duelle Lebens­planung und die persönliche finanzielle Situation. Zudem ist jedes Kauf­objekt ver­schieden ausge­stattet. Ener­getischer Standard, Reno­vierungs­bedarf und Unter­haltungs­kosten können stark unter­schiedlich sein.“

Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2022

Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), wurde die Immobilienpreisentwicklung in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.

Kontakt

Oliver Rittmaier
Mediensprecher