Aus der Wohnungsnot eine Tugend machen

Aus Ausgabe 1/2016

Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erfordert ein Umdenken und die Investition in überzeugende Wohnkonzepte, sagt Dr. Jörg Koschate, Generalbevollmächtigter der BHW Bausparkasse.

Dr. Jörg Koschate, Generalbevollmächtigter der BHW Bausparkasse
Bild Nr. 6063, Quelle: BHW Bausparkasse

Die neuen Bundesländer liegen bei der Eigentumsbildung weit zurück. Nach unseren Erhebungen ist der Anteil der Menschen, die dort eine Immobilie besitzen, in den letzten vier Jahren um zwei Prozentpunkte auf 42 Prozent gesunken. Auch im Westen bleibt viel zu tun, denn die Republik steht angesichts der zunehmenden Bevölkerung vor der großen Herausforderung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eigentum kann dabei eine zentrale Rolle spielen.

Schere zwischen Ost und West

Stellschrauben wären die Senkung der Grunderwerbsteuer und die Nutzung von Brachflächen. Mitten in oder am Rande der Stadtzentren gibt es oft Flächen, die sich für eine Bebauung anbieten, bisher aber ungenutzt geblieben sind. Hier müsste die öffentliche Hand umdenken: Schnellere Genehmigungsverfahren und eine Abkehr davon, am Markt den höchstmöglichen Preis zu erzielen, wären richtungsweisende Schritte. Der Wunsch, beim Grundstücksverkauf viel Geld zu verdienen, ist meist unvereinbar mit dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Er führt zum Bau hochpreisiger Häuser und Wohnungen, die als Renditeobjekte interessant oder nur für Gutverdiener oder Kapitalanleger finanzierbar sind.

Umdenken erforderlich

Dies gilt besonders für Metropolen. Hier schießen die Immobilienpreise seit Jahren in die Höhe, Mieten steigen und bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Leidtragende sind Normalverdiener, Rentner und junge Familien – egal ob in Ost oder West. Sie müssen laut Postbank Wohnatlas oft 40 Prozent und mehr ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden. Der Zuzug von Flüchtlingen mit Bleiberecht dürfte den Wohnungsbedarf kurz- und mittelfristig noch vergrößern, auch wenn die Demografen für die kommenden Jahrzehnte einen Rückgang der Bewohnerzahlen in großen Städten voraussagen.

Wohnungsnot macht erfinderisch

Warum also nicht neue Wege gehen und den Grundstücksverkauf nicht nur an den Preis, sondern an überzeugende Wohnkonzepte knüpfen? Mehrgenerationenhäuser, umweltfreundliche Bauten, flexible Apartments, die sich an die Bedürfnisse der Bewohner anpassen, leer stehende Bürohäuser, die durch geschickte Planung zu attraktiven Wohnungen werden – vieles ist möglich, wenn wir ausgetretene Pfade verlassen und aus der Wohnungsnot eine Tugend machen.