Immobilienkauf im Stuttgarter Umland: Pendelkosten berücksichtigen

Presseinformation vom 30.07.2018
In Stuttgart haben die Quadratmeterpreise für Wohneigentum stark angezogen: 3.843 Euro kostete der Quadratmeter durchschnittlich im vergangenen Jahr. In den Umlandkreisen mussten Käufer rund 15 Prozent weniger zahlen. Viele Kaufinteressierte ziehen deshalb das Pendeln in Erwägung.

In Stuttgart haben die Quadratmeterpreise für Wohneigentum stark angezogen: 3.843 Euro kostete der Quadratmeter durchschnittlich im vergangenen Jahr. In den Umlandkreisen mussten Käufer rund 15 Prozent weniger zahlen. Viele Kaufinteressierte ziehen deshalb das Pendeln in Erwägung. Nicht vergessen werden sollte dabei allerdings, dass längere Arbeitswege auch Kosten verursachen, die ein ganzes Berufsleben lang anfallen und sich summieren. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Kosten erstmals beziffern lassen. Der Postbank Wohnatlas 2018 zeigt, wann Fahrtkosten und -zeit den Preisvorteil des günstigeren Immobilienkaufs im Umland aufgezehrt haben.

Verglichen wird jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung in Stuttgart und in den Umlandkreisen. Um die Pendelzeiten zu ermitteln, wurden als Startpunkte die bevölkerungsreichste Stadt des betreffenden Kreises und der Verwaltungssitz untersucht. Die günstigsten Ergebnisse ergab die Analyse für Waiblingen im Rems-Murr-Kreis. Die 13 Kilometer zum Stuttgarter Hauptbahnhof sind mit der Bahn in zwölf Minuten zu schaffen. Der Kaufpreisvorteil hat bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Arbeitsweg 24,3 Jahre Bestand. Wer mit dem Auto fährt, ist doppelt so lange unterwegs. Deshalb reduziert sich bei täglicher Pkw-Fahrt die Zeitspanne auf 10,4 Jahre, bis die Pendelkosten den Kaufpreisvorteil des Umlands gegenüber der Metropole aufzehren. Pendler aus Esslingen/Neckar (Landkreis Esslingen) und Ludwigsburg (Landkreis Ludwigsburg) sind mit Bus und Bahn genauso lange unterwegs wie die Waiblinger. Der Kaufpreisvorteil ist aber kleiner und deshalb bei Nutzung von Bus und Bahn in Esslingen nach 21,3 Jahren und in Ludwigsburg schon nach 20,3 Jahren aufgebraucht. Schuld daran sind die etwas höheren Immobilienpreise in diesen Regionen.

Was kostet Pendeln wirklich?

Ausgangspunkt für die Modellrechnung ist der durchschnittliche Kaufpreis für eine 70 Quadratmeter große Wohnung zuzüglich Notargebühren (ein Prozent vom Kaufpreis) und Grunderwerbssteuer in der Metropole sowie in den Umlandkreisen. Zur Berechnung der Pendelkosten wird angenommen, dass eine Person des Haushalts in Stuttgart arbeitet und 220 Mal im Jahr dorthin pendelt. Da auch für Stuttgarter ein Arbeitsweg innerhalb der Stadtgrenzen zu bewältigen ist, werden die Fahrtzeiten des Pendlers von seinem Wohnsitz bis zum Umland-Bahnhof und auch die Fahrtzeit vom Stuttgarter Hauptbahnhof zur Arbeitsstelle in die Modellrechnung nicht mit einbezogen. Es wird angenommen, dass die jeweiligen Fahrtzeiten sich ungefähr ausgleichen. Analysiert wurden sowohl die Dauer der Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) als auch mit dem Auto.

In einem zweiten Schritt wurden die Pendelkosten berechnet: Einerseits zogen die HWWI-Experten die Kosten für Bus-/Bahnfahrkarten beziehungsweise für das Auto (inklusive Benzin, Anschaffung, laufende Kosten) heran. Andererseits wurde der zusätzliche Zeitaufwand für den Pendler mit dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn in der Metropole im Jahr 2017 (32,37 Euro je Stunde) veranschlagt. Die sogenannten Zeitkosten für das Pendeln sind bedeutender als die direkten Kosten für Fahrkarten oder das Auto.

> Tabelle 1: Zeitspanne in Jahren, in der der Umzug in die bevölkerungsreichste Stadt der Umlandlandkreise bzw. in den Verwaltungssitz günstiger ist (PDF, 86KB)

Die Modellrechnung zeigt, dass in keiner der untersuchten Nachbarstädte Vorteile über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren gegenüber dem Kauf einer Immobilie in Stuttgart selbst erzielt werden können. Der Blick auf die Preisentwicklung zeigt auch, dass die Kaufpreise rund um die schwäbische Metropole im Vergleich zum Vorjahr stark angezogen haben: Während in Stuttgart ein Plus von knapp sieben Prozent entstand, waren es in den Umlandkreisen überall gut zehn Prozent, im Rems-Murr-Kreis sogar elf Prozent.

In Waiblingen hat der Preisvorteil gegenüber dem Kauf in Stuttgart selbst noch am längsten Bestand, weil die Pendelzeiten durch die gute Anbindung kurz gehalten werden können und die Quadratmeterpreise im Schnitt mehr als 1.000 Euro unter denen in der Metropole liegen. Aus Sindelfingen (Landkreis Böblingen) sind es bis ins Stuttgarter Stadtzentrum 21 Kilometer, Pendler benötigen für diese Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln 32 Minuten. Das führt dazu, dass der Kaufpreisvorteil trotz ähnlich günstiger Preise wie im Rems-Murr-Kreis, in dem Waiblingen liegt, schon nach 8,8 Jahren verfahren ist. Im Kreis Böblingen wurde auch der Verwaltungssitz analysiert. Die Stadt Böblingen punktet gegenüber Sindelfingen trotz ähnlich langer Strecke mit kürzeren Bahn-Fahrtzeiten. So profitieren Käufer dort vier Jahre länger vom ursprünglichen Preisvorteil.

Bus- und Bahnfahren fast überall günstiger

Bei Nutzung des Pkw sind die Zeitspannen überall deutlich kürzer – sie liegen zwischen 10,4 Jahren (Waiblingen) und 7,8 Jahren (Böblingen und Sindelfingen). Keine der untersuchten Städte zeigt Kostenvorteile für Auto-Pendler im Vergleich zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Vorteile für Bus- und Bahnfahrer sind in Waiblingen mit einem Plus von 13,9 Jahren besonders groß. In Sindelfingen bestehen die Vorteile für die Nutzer der „Öffentlichen“ dagegen nur ein Jahr länger als für die Auto-Fraktion.

Individuelle Abwägung

„Unsere Modellrechnung kann lediglich Anhaltspunkte liefern und Denkanstöße geben“, sagt Philipp Benker, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für das Baufinanzierungsgeschäft der Postbank in Stuttgart. Die Frage der Pendelkosten muss jeweils im Einzelfall betrachtet werden. Denn das Ergebnis hängt natürlich davon ab, wo exakt im Umlandkreis das Eigenheim steht, wie die Anbindung an die Metropole von dort aus ist und wo genau die Arbeitsstelle liegt. Entscheidend ist auch, ob in einem Haushalt ein oder zwei Arbeitnehmer pendeln, ob Home-Office-Regelungen die Zahl der Pendeltage verringern und wie die Karriereplanung generell aussieht. Bleibt es bei dem Arbeitsverhältnis in Stuttgart? Sind berufliche Veränderungen oder der Renteneintritt absehbar? Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen. Auch das kostet Geld. Zudem operiert die Modellrechnung mit Durchschnittswerten. Wenn der Wohnungspreis oder der Bruttolohn stark vom regionalen Durchschnitt abweichen, hat das großen Einfluss auf das Ergebnis der individuellen Kostenrechnung.

„Trotz dieser Einschränkungen liefert die Analyse wichtige Hinweise darauf, in welchen Städten und Landkreisen des Stuttgarter Umlandes eine Investition lohnen könnte“, sagt Philipp Benker.

Realistische Finanzplanung

Ob Benzin, Monatskarten, Unterhalt für ein weiteres Auto, lange Fahrtzeiten oder zusätzliche Kinderbetreuungskosten – alle Ausgaben, die das Leben im Umland erfordert, sollten möglichst realistisch eingeschätzt werden. Man sollte auch bedenken, dass ein kostspieligeres Immobilieninvestment in der Großstadt in vielen Fällen höhere Schulden bedeutet – und dafür höhere Tilgungsleistungen und Zinszahlungen fällig werden. „Eine individuelle Analyse der Finanzlage ist unabdingbar. Wer unsicher ist, sollte sich Hilfe bei einem Experten holen“, erklärt Benker. „Die Entscheidung für die Traumimmobilie muss zur persönlichen Lebensplanung passen.“

> Tabelle 2: Übersicht: Immobilienpreise für Stuttgart und das Umland (PDF, 71KB)

Der Postbank Wohnatlas 2018 ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Für die vorliegende Analyse wurden unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), die Pendelkosten für Bewohner der Umlandkreise der sieben größten deutschen Städte untersucht. Im Fokus dieser Auswertung steht Stuttgart.

Annahmen und Berechnungen der Pendelkosten

1. In der Gemeinde des Landkreises wird eine Eigentumswohnung von 70 Quadratmetern zum Durchschnittspreis des Landkreises im Jahre 2017 erworben. Alternativ wird eine Eigentumswohnung von 70 Quadratmetern in Stuttgart zum Durchschnittpreis der Metropole im Jahre 2017 gekauft.
2. Der berechnete Kaufpreis wird um Notargebühren von ein Prozent und der derzeit im Bundesland geltenden Grunderwerbsteuer erhöht.
3. Einsparungen beim Kauf einer Eigentumswohnung im Umland im Vergleich zu einem Kauf in der Metropole werden um notwendige Mobilitätskosten (direkte Kosten und bewerteter Zeitaufwand für das Pendeln), die durch den Umzug in das Umland entstehen, reduziert.
4. Zusätzliche Mobilitätszeiten für Bewohner des Umlandes gegenüber den Bewohnern der Metropole entstehen für den Weg vom Bahnhof der Umlandgemeinde zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Alle Pendler nehmen den Weg von Bahnhof zu Bahnhof.
5. Als Pendelzeit für den einfachen Weg wird die kürzeste Reisezeit angesetzt, die mit dem jeweiligen Verkehrsmittel am Dienstagmorgen zwischen 07.00 Uhr und 08.00 Uhr im Februar 2018 erzielt werden konnte.
6. Die Mobilitätszeiten für Hin- und Rückweg sind identisch.
7. Die Mobilitätskosten pro einfachem Entfernungskilometer liegen nach Abzug der Steuervergünstigungen bei 0,35 Euro für den PKW und bei 0,08 Euro für den ÖPNV.
8. Der Zeitaufwand für das Pendeln wird mit dem durchschnittlichen Bruttolohn bewertet, der im Jahre 2017 in der Metropole erzielt wurde. Als Grundlage für diesen Median-Lohn dienen die Gehälter aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Beamten, aber nicht von Selbstständigen.

Kontakt

Ralf Palm
Pressesprecher