Nordrhein-Westfalen besonders skeptisch gegenüber gesetzlicher Rente

Medieninformation vom 17.07.2025
Vier von fünf Erwerbstätigen in NRW glauben nicht, dass die gesetzliche Rente zum Leben reicht • Private Vorsorge bleibt in NRW trotz Problembewusstsein leicht unter dem Bundesdurchschnitt • Dr. Ulrich Stephan: „Der Staat sollte Anreize setzen, um private Vorsorge zu stärken“

Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Postbank
Foto: Postbank / © Tim Wegner

Die Men­schen in Nord­rhein-West­fa­len (NRW) bli­cken mit gro­ßer Nüch­tern­heit auf ih­re Al­ters­si­che­rung: Laut ei­ner You­Gov-Um­fra­ge im Auf­trag der Post­bank be­zwei­feln knapp 80 Pro­zent der Be­rufs­tä­ti­gen, dass die ge­setz­li­che Ren­te aus­rei­chen wird, um ih­ren ge­wohn­ten Le­bens­stan­dard im Al­ter zu fi­nan­zie­ren. Das sind deut­lich mehr als im Bun­des­durch­schnitt (73 Pro­zent). Nur knapp 17 Pro­zent sind ge­gen­tei­li­ger Mei­nung, in Ge­samt­deutsch­land 22 Pro­zent. Da­mit schät­zen die Men­schen in NRW die Si­tua­ti­on be­mer­kens­wert rea­lis­tisch ein – denn ak­tu­ell er­hal­ten Rent­ne­rin­nen und Rent­ner, die 45 Jah­re zum Durch­schnitts­ent­gelt ge­ar­bei­tet und in die ge­setz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung ein­ge­zahlt ha­ben, le­dig­lich 48 Pro­zent des Durch­schnitts­ver­diens­tes.

Trotz die­ser kla­ren Ein­schät­zung sorgt in NRW nur gut je­der zwei­te Er­werbs­tä­ti­ge (56 Pro­zent) pri­vat für sein Al­ter vor – bun­des­weit sind es mit 58 Pro­zent ge­ring­fü­gig mehr. 41 Pro­zent der Er­werbs­tä­ti­gen in NRW ge­ben an, kei­ne pri­va­te Al­ters­vor­sor­ge zu be­sit­zen (Bun­des­durch­schnitt: 37 Pro­zent). Die Grün­de für die feh­len­de Vor­sor­ge sind viel­fäl­tig. Zum ei­nen ist die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on zahl­rei­cher Haus­hal­te in NRW an­ge­spannt – mit knapp 18,8 Pro­zent sind über­durch­schnitt­lich vie­le Men­schen ar­muts­ge­fähr­det, deutsch­land­weit liegt die Zahl bei 16,6 Pro­zent, so die Sta­tis­ti­schen Äm­ter des Bun­des und der Län­der. Fi­nanz­wis­sen und die Un­si­cher­heit bei An­la­ge­ent­schei­dun­gen spie­len eben­falls ei­ne Rol­le. „Vie­le Men­schen wis­sen zwar, dass sie vor­sor­gen soll­ten, füh­len sich aber über­for­der­t“, er­klärt Dr. Ul­rich Ste­phan, Chef­an­la­ge­stra­te­ge der Post­bank. „Der Staat soll­te steu­er­li­che An­rei­ze schaf­fen, die pri­va­te Al­ters­vor­sor­ge ver­ein­fa­chen und Hür­den ab­bau­en. Ei­ne Re­du­zie­rung der Steu­er- und Ab­ga­ben­last wä­re eben­falls ein sinn­vol­ler He­bel, um mehr Men­schen fi­nan­zi­el­len Spiel­raum zum Vor­sor­gen zu ge­ben.“

Die Be­reit­schaft, über das ge­setz­li­che Ren­ten­al­ter hin­aus zu ar­bei­ten, ent­spricht in NRW mit rund 54 Pro­zent dem bun­des­wei­ten Mit­tel. Gleich­zei­tig ge­ben knapp 22 Pro­zent der Er­werbs­tä­ti­gen in NRW an, nur bei bes­se­rer Be­zah­lung län­ger ar­bei­ten zu wol­len (Bun­des­durch­schnitt: 20 Pro­zent) – ein Hin­weis dar­auf, dass sich vie­le ei­ne stär­ke­re fi­nan­zi­el­le Wert­schät­zung ih­rer lang­jäh­ri­gen Ar­beit wün­schen.

Grafik: Postbank / © sqback

Bun­des­trend: Vor­sor­ge ist ei­ne Fra­ge des Geld­beu­tels

Auch bun­des­weit zeigt sich: Die Mehr­heit der Er­werbs­tä­ti­gen (73 Pro­zent) ver­traut nicht dar­auf, dass die ge­setz­li­che Ren­te al­lein im Al­ter aus­reicht. Da­bei hängt die­se Ein­schät­zung stark vom Ein­kom­men der Be­frag­ten ab: Wäh­rend knapp 28 Pro­zent mit ei­nem mo­nat­li­chen Haus­halts­net­to­ein­kom­men von 2.500 Eu­ro und mehr glau­ben, dass ih­re Ren­te rei­chen wird, sind es un­ter­halb die­ser Schwel­le nur rund 13 Pro­zent. Glei­ches gilt für die pri­va­te Vor­sor­ge: Knapp 66 Pro­zent der hö­he­ren Ein­kom­mens­grup­pen ge­ben an, Rück­la­gen fürs Al­ter zu bil­den. Bei Ein­kom­men un­ter 2.500 Eu­ro sind es le­dig­lich 43 Pro­zent.

Re­form­vor­schlä­ge zur Al­ters­vor­sor­ge sto­ßen laut Post­bank Um­fra­ge auf brei­te Un­ter­stüt­zung: Ei­ne kla­re Mehr­heit (86 Pro­zent) spricht sich für ei­nen fai­ren Zu­gang zur be­trieb­li­chen Al­ters­vor­sor­ge für klei­ne­re Un­ter­neh­men und Ge­ring­ver­die­nen­de aus. 78 Pro­zent stim­men für ei­ne bes­se­re An­er­ken­nung von Er­zie­hungs­zei­ten. Auch die Ab­schaf­fung der Ries­ter-Ren­te und die Ein­füh­rung ei­nes neu­en, ef­fi­zi­en­te­ren Vor­sor­ge­mo­dells fin­den brei­te Zu­stim­mung (73 Pro­zent). Und knapp 70 Pro­zent be­für­wor­tet die staat­li­che För­de­rung von Wert­pa­pier­an­la­gen, wenn die­se der Al­ters­vor­sor­ge dient – so­wohl für Er­werbs­tä­ti­ge als auch für Kin­der und Ju­gend­li­che.

Über die Ren­te hin­aus wür­de deutsch­land­weit rund je­der zwei­te Be­schäf­tig­te (54 Pro­zent) ar­bei­ten – meist je­doch nur in Teil­zeit und be­grenzt bis zum 70. Le­bens­jahr. „Die fi­nan­zi­el­len An­rei­ze zur Ar­beit im Ren­ten­al­ter sind ak­tu­ell über­schau­bar“, meint Dr. Ul­rich Ste­phan. „Ein­kom­men aus der ge­setz­li­chen Ren­te sind steu­er­pflich­tig, je­der Zu­ver­dienst er­höht das zu ver­steu­ern­de Ein­kom­men und da­mit den Grenz­steu­er­satz.“ Die Bun­des­re­gie­rung plant, mit der so­ge­nann­ten Ak­tiv­ren­te äl­te­re Er­werbs­tä­ti­ge zu mo­ti­vie­ren, frei­wil­lig län­ger zu ar­bei­ten. Dr. Ul­rich Ste­phan wer­tet die Plä­ne als ers­ten Schritt, aber als noch nicht aus­rei­chend, um an­ge­sichts des de­mo­gra­fi­schen Wan­dels ei­ne brei­te­re Wei­ter­be­schäf­ti­gung im Al­ter zu er­mög­li­chen. „Die Ak­tiv­ren­te kann ein Bau­stein sein – doch es braucht mehr An­rei­ze, we­ni­ger Hür­den und ei­ne neue Kul­tur des Al­terns in der Ar­beits­welt“, so der Post­bank Ex­per­te.

Informationen zur Umfrage

Die ver­wen­de­ten Da­ten be­ru­hen auf ei­ner On­line-Um­fra­ge der You­Gov-Deutsch­land GmbH, an der 2.069 Per­so­nen zwi­schen dem 28. und 30.05.2025 teil­nah­men. Die Er­geb­nis­se wur­den ge­wich­tet und sind re­prä­sen­ta­tiv für die deut­sche Wohn­be­völ­ke­rung ab 18 Jah­ren, in NRW wur­den 446 Per­so­nen be­fragt, da­von 253 Er­werbs­tä­tige.

Kontakt

Iris Laduch
Mediensprecherin