Deutschland pendelt – aber ist das der richtige Weg?

Die Zahl der Beschäftigten, die dort arbeiten, wo sie leben, sinkt stetig – für die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer gehört das Pendeln zum Alltag. Besonders in Ballungszentren und in weniger dicht besiedelten Gebieten sind weite Anfahrten die Regel. Allerdings zieht es seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vermehrt Arbeitnehmer ins Homeoffice, auch für die Zeit danach verkünden Arbeitergeber bestehenbleibende Möglichkeiten für das Arbeiten von zu Hause. Wir haben für Sie Zahlen und Fakten über Berufspendler zusammengestellt. Erfahren Sie hier, wie sich die weite räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten auf Einkommen und Umwelt auswirkt.

Berufspendler – Fakten in der Übersicht

Die Zahl der Pendler wächst permanent: 59,4% der Beschäftigten arbeiteten im Jahr 2018 nicht in der Gemeinde, in der sie lebten, so das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Das bedeutet, dass 18,4 Millionen Menschen als Berufspendler gelten – 2 % mehr als drei Jahre zuvor, und die Tendenz ist weiter steigend.

  • Nach Angaben der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) pendelt in 2019 jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland und benötigt 30 Minuten oder länger für den einfachen Weg.
  • Im Schnitt legt jeder Pendler 16,91 Kilometer pro Strecke zurück. Das sind fast drei Kilometer mehr als im Jahr 1999.
  • Die Zahl der Fernpendler, die mehr als 150 Kilometer für den einfachen Arbeitsweg zurücklegen, ist von rund einer Million zur Jahrtausendwende auf 1,3 Millionen gewachsen.
  • In Metropolen wie Düsseldorf, Frankfurt am Main oder Stuttgart wohnen zwei Drittel der Arbeitnehmer außerhalb.
  • München muss die meisten Pendler bewältigen: Hier leben 355.000 Beschäftigte im Umland, seit Beginn des Jahrtausends stieg deren Zahl um 21%.
  • In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt legen Berufspendler im Durchschnitt rund 30 Kilometer zurück, um die Arbeitsstätte zu erreichen.
  • Die meisten Pendler setzen auf den eigenen Pkw, um die Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zu überwinden.
  • Für Strecken zwischen 10 und 25 Kilometern Länge steigen 82,2 % der Berufspendler ins Auto.
  • Bei Arbeitswegen zwischen 25 und 50 Kilometern sind es 84,3 %.
  • Der ADAC hat berechnet, dass in jedem Pendlerauto im Durchschnitt 1,18 Personen sitzen. Fahrgemeinschaften sind also eher selten.

Für viele Pendler geht es von West- nach Ostdeutschland – und umgekehrt

Aber auch das Pendeln vom Westen in den Osten Deutschlands und andersherum macht einen Großteil unter den Beschäftigten aus:

  • Laut der BA-Statistik wohnten 415.000 (6,5%) sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer in 2019 in Ostdeutschland und arbeiteten im Westen.
  • Andersherum hatten 178.000 (0,7%) Erwerbstätige ihren Wohnort in Westdeutschland und pendelten zum Arbeiten in den Osten.

Viele Pendler haben keine Wahl

Die meisten neuen Arbeitsplätze entstehen heute in den Metropolen. Doch die Einwohner der Städte reichenoft nicht aus, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Zugleich verhindert der angespannte Wohnungsmarkt, dass Menschen eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzesbeziehen können. In München ist dieser Effekt gut sichtbar:Für Geringverdiener bleibt eine Wohnung in der Stadt ein Traum, auchAngestellte mit Durchschnittseinkommen werden nur mit Glück fündig. Zudem sind im Umland bessere Wohnlagen günstiger zu haben. Die entstehenden Entfernungen sind für Pendler kaum zu Fuß oder mit dem Rad zu bewältigen. Der ÖPNV ist vergleichsweise teuer und stellt keine Alternative dar, weil für das Leben im Außenbereich sowieso ein Pkw angeschafft und unterhalten werden muss. Zudem wirken überfüllte Züge, die oft mit Verspätung oder gar nicht kommen, wenig attraktiv.

Der Staat bevorzugt Pendler mit Auto und Besserverdiener

Um die finanziellen Belastungen für Berufspendler zu mildern, gewährt der Staat die Pendlerpauschale. Pro gefahrenem Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz dürfen Arbeitnehmer bis einschließlich 2020 30 Cent steuerlich geltend machen. Angesetzt wird jeweils der Hinweg. Wer zehn Kilometer von seiner Arbeitsstätte enfernt wohnt, mindert seine Einkommensteuer um drei Euro pro Arbeitstag.

Wie Sie den Arbeitsweg bewältigen, hat erst einmal keinen Einfluss auf die Pauschale für Pendler. Es gelten 30 Cent pro Kilometer – unabhängig davon, ob Sie zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren, den ÖPNV nutzen oder sich ins Auto setzen. Allerdings privilegiert der Staat die Berufspendler mit Auto:Während für alle anderen Pendler, auch Motorradfahrer, eine Höchstsumme von 4.500 Euro pro Jahr gilt, können Autofahrer die Pendlerpauschale unbegrenzt nutzen. Geringverdiener stehen bei langen Pendelstrecken vor dem Problem, dass die Pauschale schnell höher ausfällt als die Steuerlast. Sie profitieren daher weniger als Menschen mit mittleren und hohen Einkommen.

Ab dem 1. Januar 2021 werden Berufspendler dank der Erhöhung der Pendlerpauschale weiter steuerlich entlastet. Nun gilt:

  • Vom ersten bis zum 20. Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dürfen Sie weiterhich 30 Cent pro Kilometer geltend machen.
  • Ab dem 21. Kilometer des einfachen Arbeitswegs steigt die Pendlerpauschlae um 5 Cent. Für diese Teilstrecke dürfen Sie 35 Cent pro Kilometer steuerlich geltend machen.
  • Zwischen 2024 und 2026 ist eine weitere Anhebung um 3 Cent auf 38 Cent geplant.

Tipp

Möchten Sie herausfinden, was sich für Sie eher lohnt: die höhere Miete bzw. ein höherer Immobilienkaufpreis in der Stadt oder das Pendeln? Mit der Formel „(220 Tage) x (Entfernung Wohnung-Arbeitsplatz bis 20 km) x 0,30 Euro + (220 Tage x Entfernung-Arbeitsplatz ab Kilometer 20) x 0,35 Euro“ berechnen Sie die Pendlerpauschale überschlägig.

Beim Pendeln bleibt die Umwelt oft auf der Strecke

Die Wissenschaft ist davon überzeugt, dass der starke CO2-Ausstoß der Industrienationen der Verursacher der Klimaerwärmung ist. Pendler tragen in einem hohen Maße zu diesem bei. Laut Berechnungen des Westdeuschen Rundfunks legen Berufspendler im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 20 Kilometer auf dem Weg zur Arbeit zurück. Bei einem typischen zehn Jahre alten Auto mit Ottomotor bedeutet das eine jährliche CO2-Emission von 1,5 Tonnen. Angesichts dieser Zahlen wird klar, dass es ein wenig widersprüchlich ist, ins Grüne zu ziehen, den Wohnort aber nur mit großen Belastungen für die Umwelt zu erreichen. Hoffnung diesbezüglich macht die jüngste Entwicklung  im Zuge der COVID-19-Pandemie: die Option für das Arbeiten zu Hause.

Corona-Pandemie – die Auswirkungen für Pendler und Umwelt

Was zuvor für viele Unternehmen undenkbar war, ist in der Realität angekommen – und funktioniert besser, als so mancher gedacht hätte: Immer mehr Arbeitnehmer nutzen die „neuen“ Möglichkeiten, im Homeoffice zu arbeiten. Selbst viele zuvor skeptische Arbeitgeber haben gelernt, in welchen Bereichen das Arbeiten von zu Hause doch funktioniert und sogar effizienter sein kann. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur „Homeoffice-Nutzung während der Corona-Epidemie“ belegt, dass der Anteil der Beschäftigen in Heimarbeit deutlich höher ist als vor der Pandemie. Zuvor arbeiteten nur 4% überwiegend oder ausschließlich von zu Hause aus, zurzeit des Ausbruchs von COVID-19 im April 2020 stieg der Anteil auf 27% an. Und auch, wenn der „Lockdown light“ im Juni darauf die Bereitschaft für Homeoffice fast halbierte und nur noch 16 Prozent der Befragten die Arbeit in den eigenen vier Wänden bejahten, hat sich das geringere Verkehrsaufkommen in dem Jahr positiv auf die Umwelt ausgewirkt: 2020 verzeichnete laut dem Forschungsnetzwerk „Global Carbon Project“ einen Rekordrückgang an CO2-Emissionen. Vor allem im Verkehr – insbesondere allerdings im Luftfahrtssektor – wurde mit im Schnitt 22% weniger CO2 der größte Emissionsrückgang weltweit verzeichnet, in manchen Ländern waren es sogar 30%.

Tipp

Ein Jahr später – im Januar 2021 – geht es für viele Arbeitnehmer sogar verpflichtend in das Heimbüro: Der Staat verordnet die Homeoffice-Pflicht. Aus gutem Grund: Die Heimarbeit scheint nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Mittel zur Unterbrechung der Infektionsketten zu sein. Die Wissenschaftler haben ermittelt, dass vor allem Pendlerverflechtungen einen großen Anteil an der Coronavirus-Ausbreitung in Deutschland hatten.

So schön die Möglichkeiten für das Arbeiten von zu Hause klingen: Nicht jeder kann seinen Job „am Küchentisch“ erledigen. Viele Berufe erfordern die Anwesenheit des Mitarbeiters – denken Sie nur an Fabrikmitarbeiter, Pflegekräfte, Mitarbeitende im Supermarkt oder Handwerker. Bei anderen ist die Möglichkeit eher theoretischer Natur. Wer ohne Arbeitszimmer als Paar im Homeoffice leistet und das Homeschooling der Großen sowie die Betreuung der Kleinen erledingt, der kommt kaum zum Arbeiten. Da ist es effektiver, im Wechsel am Arbeitsplatz präsent zu sein.

Sicher ist und bleibt: Mobilität muss neu gedacht werden

Nicht allein der Umwelt zuliebe benötigen wir neue Strategien, um die alltäglichen Wege zu bewältigen. Bereits auf den Routen in die Metropolen kollabiert der Verkehr zunehmend, innerhalb der Städte fehlt der nötige Parkraum. Ein erster Schritt in die richtige Richtung mag mit den „neuen“ Möglichkeiten für Homeoffice durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie getan sein. Doch nicht jeder kann oder will eben von zu Hause aus arbeiten. Die Politik ist deshalb gefragt: Attraktiver und bezahlbarer Wohnraum in den Ballungszentren muss bereitstellt werden, parallel dazu holt ein Ausbau des ÖPNV die Menschen ab, die weiter außerhalb leben. Außerdem kann sie Unternehmensansiedlungen dort fördern, wo potenzielle Arbeitskräfte leben.

Sie möchten selbst etwas ändern oder einfach eine Alternative zu Ihrer bisherigen Strecke ausprobieren? Dann fragen Sie unter Ihren Kollegen doch einmal, ob sich eine Fahrgemeinschaft gründen lässt. Oder suchen Sie sich Nachbarn, die eine ähnliche Route haben. Auch spezielle Pendlerportale bieten die Möglichkeit, Pendler mit dem gleichen Arbeitsweg zusammenzubringen und so Fahrgemeinschaften zu bilden. Oder aber Sie kombinieren verschiedene Verkehrsmittel miteinander und fahren z. B. mit dem Auto zum Zug und am Zielort mit dem Fahrrad oder dem E-Roller zum Ziel.