Den Nach­lass mit einem Ver­mächt­nis re­geln

Erbe und Vermächtnis werden häufig synonym verwendet – dabei bezeichnen die beiden Begriffe unterschiedliche Sachverhalte im Erbrecht, die allerdings durchaus miteinander kombinierbar sind. Auch die Rechte und Pflichten von Erben und Erbinnen sowie Vermächtnisnehmer:innen unterscheiden sich. Welche Unterschiede es zwischen Erbe und Vermächtnis gibt, wie Sie ein Vermächtnis korrekt aufsetzen und wie Erben und Erbinnen auch ein Vermächtnis erhalten können, lesen Sie hier.

Was ist ein Vermächtnis?

Wer stirbt, vererbt sein Hab und Gut in Deutschland automatisch an den überlebenden Partner beziehungsweise die Partnerin, die Kinder und andere Hinterbliebene. Wenn Sie den Nachlass jedoch selbst regeln möchten, besteht die Möglichkeit, durch ein Testament oder einen Erbvertrag die gesetzliche Erbfolge auszuhebeln. Somit verteilen Sie Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen – bestimmte Personen können Sie so als Erben einsetzen, anderen vermachen Sie nur einen Teil aus Ihrem Nachlass.

Möchten Sie nach Ihrem Tod einen nahestehenden Menschen oder eine gemeinnützige Organisation bedenken, bietet sich dafür ein Vermächtnis an. Damit können Sie zum Beispiel wertvolle Gemälde an einen engagierten Kunstfreund vermachen, der aber nicht zum Erben wird. Der Begünstigte heißt hierbei Vermächtnisnehmer. Ein Vermächtnis kann sich neben bestimmten Gegenständen und Geldbeträgen auch auf eine Immobilie oder ein Wohnrecht beziehen.

Aus rechtlicher Sicht ist für das Vermächtnis die Definition aus dem § 1939 BGB maßgeblich: „Der Erblasser kann durch das Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis).

Tipp

Es ist möglich, ein Vermächtnis an Bedingungen zu knüpfen. Der Erblasser oder die Erblasserin kann beispielsweise den Vermächtnisnehmer oder die Vermächtnisnehmerin dazu verpflichten, sich im Todesfall um seine bzw. ihre Haustiere zu kümmern.

Wichtig: Ohne Testament kein Vermächtnis

Das Vermächtnis ist stets Teil des Testaments – ohne Testament existiert daher kein gültiges Vermächtnis. Hier eröffnet sich zwischen Erbe und Vermächtnis ein Unterschied: Denn während die Erbfolge gesetzlich festgelegt ist und die Erbengemeinschaft auch ohne Testament zu ihrem Erbe kommt, gibt es für die individuellen Vermächtnisse keinerlei Regelwerk. Da Sie hier auch Menschen ohne Verwandtschaftsverhältnis begünstigten können, ist es wichtig, sie namentlich zu nennen und das Vermächtnis klar zu formulieren.

Was bedeutet Vermächtniserfüllung?

Ein Vermächtnisnehmer oder eine Vermächtnisnehmerin hat nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin – im Gegensatz zu den Erben und Erbinnen – keine Eigentumsrechte an den zugewandten Gegenständen. Um ein Vermächtnis einzufordern, muss der oder die Vermächtnisnehmer:in den eigenen schuldrechtlichen Anspruch daher gegenüber dem Alleinerben oder der Alleinerbin bzw. der Erbengemeinschaft oder dem Testamentsvollstreckenden geltend machen. Verfassen Sie dazu idealerweise ein formloses Schreiben und berücksichtigen Sie unbedingt die dreijährige Verjährungsfrist. Je nach Art des Vermächtnisses erfolgt die Vermächtniserfüllung zum Beispiel durch eine einfache Übergabe des Gegenstandes oder eine Überweisung des Geldbetrags an den oder die Begünstigten.

Gut zu wissen

Kommt es bei der Vermächtniserfüllung zu Streit oder Problemen, wenden Sie sich an eine Anwaltskanzlei für Erbrecht. Sofern die Erbengemeinschaft nicht auf die Einforderung reagiert, kann die Vermächtnis nehmende Person das Vermächtnis einklagen.

Wann ist ein Vermächtnis und nicht ein Erbe sinnvoll?

Erben und Erbinnen sind die Rechtsnachfolger:innen eines Erblassers bzw. einer Erblasserin: Sie übernehmen damit das Vermögen und die Verbindlichkeiten. Vermächtnisnehmer:innen gehören dagegen nicht der Erbengemeinschaft an, sie bekommen beispielsweise nur einige Gegenstände, einen Geldbetrag oder eine Immobilie aus dem Nachlass. Somit ist das Vermächtnis von Bedeutung, wenn Sie eine Person mit einem bestimmten Teil Ihres Nachlasses bedenken möchten – ohne sie als Erben oder Erbin einzusetzen.

Wann muss ein Ver­mächt­nis aus­ge­zahlt wer­den?

Das Vermächtnis wird in der Regel mit dem Erbfall fällig – das heißt sobald der Erblasser oder die Erblasserin verstirbt und es zur Testamentseröffnung kommt, entsteht ein Anspruch auf das Vermächtnis. Das Nachlassgericht informiert den oder die Vermächtnisnehmer:in schriftlich darüber. Der Erblasser oder die Erblasserin kann jedoch festlegen, dass die Herausgabe erst zu einem festgelegten Zeitpunkt erfolgt: beispielsweise, wenn der oder die Begünstigte ein bestimmtes Alter erreicht oder das Studium erfolgreich abschließt.

Ver­mäch­tnis und Erb­schaft­steuer

Bei einem Vermächtnis handelt es sich um einen „Erwerb von Todes wegen“ und demzufolge unterliegt es der Erbschaftsteuer. In diesem Punkt besteht zwischen Vermächtnis und Erbe kein Unterschied.

Vor­aus­ver­mächtnis vs. Teilungs­an­ordnung

In der Praxis gehört das Vorausvermächtnis zu den bekanntesten Arten von Vermächtnissen. Daraus ergibt sich eine entscheidende Besonderheit: Mit dem Vorausvermächtnis vermachen Sie bestimmte Gegenstände oder Werte aus dem Nachlass einem bestimmten Erben oder einer Erbin – damit bekommt diese Person mehr als die anderen Erben und Erbinnen. In diesem Fall erhält der Erbe oder die Erbin das Vermächtnis „im Voraus“ – also vor der Erbauseinandersetzung und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil. Ein Vorausvermächtnis kommt beispielsweise infrage, um ein Haus einem Ihrer Kinder zukommen zu lassen.

Nicht zu verwechseln ist das Vorausvermächtnis mit einer Teilungsanordnung: Wenn der Erblasser oder die Erblasserin dagegen nur festlegen möchte, wie der Nachlass später konkret unter mehreren Erben und Erbinnen aufzuteilen ist, liegt eine Teilungsanordnung vor. Dabei wird jedem Miterben und jeder Miterbin der Wert der zugesprochenen Nachlass-Gegenstände auf den eigenen Erbteil angerechnet. Wenn der Wert der Gegenstände die Erbquote eines Erben oder einer Erbin übersteigt, muss diese Person die anderen aus der Erbengemeinschaft dafür entsprechend auszahlen. Treffen Sie daher klare Formulierungen, um eventuelle Missverständnisse im Testament – und damit verbundene Streitereien – zu vermeiden.

Was ist bei einem Ver­mächt­nis über eine Im­mo­bilie zu be­ach­ten?

Sofern das Vermächtnis eine Grundstücksübertragung vorsieht, ist ein notariell beurkundeter Vermächtniserfüllungsvertrag zwischen den Erben bzw. Erbinnen und dem oder der Vermächtnisnehmer:in notwendig. Erst dann ist eine Eintragung des neuen Eigentümers oder der neuen Eigentümerin (Vermächtnisnehmer:in) im Grundbuch möglich.

Vermächtnis nehmende Personen haften – anders als die Erbengemeinschaft – nicht für die Schulden des Erblassers oder der Erblasserin. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wenn die zugewandte Immobilie noch nicht abbezahlt ist, muss der oder die Vermächtnisnehmer:in unter Umständen die Baufinanzierung übernehmen und die Ratenzahlungen leisten.

Kann ich ein Ver­mächt­nis aus­schla­gen?

Sie können frei darüber entscheiden, ob Sie ein Vermächtnis annehmen oder ausschlagen möchten. Im Unterschied zum Erbe sind bei einem Vermächtnis jedoch keine Fristen zur Ausschlagung und formellen Erfordernisse zu beachten.

Check­liste – was muss ins Ver­mächt­nis?

Ein Vermächtnis stellt immer einen Teil des Testaments oder Erbvertrags dar – deshalb setzen Sie dafür kein separates Schreiben auf. Berücksichtigen Sie dabei die wesentlichen Unterschiede zwischen „Erben oder Erbin einsetzen“ und jemandem einen Vermögenswert „vermachen“ (Vermächtnis). Bedenken Sie darüber hinaus folgende Punkte:

  • Wer ist die Vermächtnis nehmende/Ersatzvermächtnis nehmende Person?
  • Worauf bezieht sich das Vermächtnis konkret?
  • Wer muss das Vermächtnis erfüllen?
  • Wer trägt die evtl. Kosten der Vermächtniserfüllung?
  • Wann wird das Vermächtnis fällig?