Mittelstand auf Digitalisierungskurs – wie geht es weiter?

Der Arbeitsalltag im Homeoffice läuft in vielen Unternehmen heute routinierter ab: Alte Präsenzkonzepte sind überholt und Vorbehalte gegen das Arbeitsmodell weitestgehend abgebaut, Betriebe haben technisch aufgerüstet – die Corona-Pandemie wirkt als Digitalisierungs-Turbo und krempelt die Arbeitswelt um. Selbst in Branchen, die bisher eher als „Homeoffice-Muffel“ galten, funktioniert es immer besser. Damit das Zukunftskonzept Arbeit 4.0 Realität werden kann, gibt es allerdings noch viel zu tun.

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„New Work“-Modelle – Mittelständler gehen in Digitalisierungs-Offensive

Der deutsche Mittelstand hinkte bei der Digitalisierung lange Zeit hinterher. Erst die Krise forderte zu einem Umdenken auf – mit Erfolg: Mehr als 80 Prozent der mittelständischen Betriebe wollten digitale Initiative ergreifen und standen dem „New Work“-Modell Homeoffice positiv gegenüber. Zu diesem Ergebnis kam die Digitalisierungsstudie 2020 (Juni 2020) des Beratungsunternehmens Consultport in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut INNOFACT.

Neueste Zahlen bestätigen, dass viele Betriebe ihre guten Vorsätze umgesetzt haben: Der Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021 (von techconsult im Auftrag der Deutschen Telekom) gibt an, dass 55 Prozent aller Unternehmen im Mittelstand das Homeoffice im Rahmen der Corona-Krise neu eingeführt oder ihr Angebot ausgeweitet haben.

Das sah ein Jahr zuvor noch anders aus: Nicht einmal ein Drittel aller kleinen mittelständischen Unternehmen (bis 50 Mitarbeiter) bot seinen Angestellten das flexible Arbeitsmodell an. Lediglich 1 Prozent aller Mitarbeiter in Betrieben, die Homeoffice ermöglichten, arbeitete regelmäßig von zu Hause aus – zu diesem Ergebnis kam die Randstad-ifo-Personalleiterbefragung Q2 2019, die das ifo Institut durchführte.

Handwerk, Baugewerbe, Industrie – was hat sich hier getan?

Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung der Bundesregierung forderte Anfang 2021: „Homeoffice überall da, wo es möglich ist.“ Die Krux dabei: Nicht jede Tätigkeit lässt sich am heimischen Küchentisch erledigen. Wer seinen Arbeitsplatz in einer Laptoptasche nach Hause tragen kann, für den ist Homeoffice meist machbar. Auf viele Berufe trifft dies jedoch nicht zu. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), fand zu diesem Thema gegenüber der Deutschen Presse-Agentur deutliche Worte: „Fast 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland können nicht von zu Hause aus arbeiten – häufig, weil ihre Arbeit einen Dienst an anderen Menschen beinhaltet.“

Deswegen auf Digitalisierung zu verzichten und New-Work-Modelle wie das Homeoffice als nicht realisierbar zu erklären – davon raten Experten ab. Digitaler Fortschritt betrifft jede Branche und überall gibt es digitale Vorreiter, weshalb die Strategie, „erstmal abzuwarten“, gerade jetzt in Krisenzeit fehlschlagen kann.

Digitalisierungsindex verrät: Digitalisierung kommt voran, Nachholbedarf bleibt

Der „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ sieht die Corona-Pandemie als wichtigsten Treiber für die digitale Transformation bei deutschen Mittelständlern. 53 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie die Digitalisierung fest in ihrer Geschäftsstrategie verankert haben. Der Digitalisierungsgrad fällt dabei von Branche zu Branche unterschiedlich aus:

  • Im Baugewerbe liegt der Digitalisierungsgrad mit 52 Indexpunkten unter dem Durchschnitt aller Branchen (58 Punkte). 46 Prozent der Unternehmen stellten jedoch ihr Geschäftsmodell um und passten ihre Produkte sowie Services kurzfristig auf die neuen Herausforderungen an.
  • Handelsunternehmen schaffen es auf 54 Indexpunkte. Sie brachten die Digitalisierung mit Lösungen wie etwa digitalen Kassensystemen und intelligenten Regalen voran. Weitere Investitionen in E-Commerce sollen folgen.
  • Mittelständische Industriebetriebe kommen auf 62 Indexpunkte. Damit liegen die Unternehmen über dem Durschnitt. Die Betriebe investierten verstärkt in Video- und Webkonferenzen, Remote Access (VPN) sowie in mobile Endgeräte für ihre Mitarbeiter.
  • Das Handwerk liegt mit 57 Indexpunkten nur leicht unter dem Gesamtindex. Elektronische Bezahlsysteme, Auftragsportale, 3D-Online-Konfiguratoren und Bautagebücher gehören hier zu den wichtigsten digitalen Tools.

Zu ähnlichen Resultaten kam der Digitalisierungsindex, den das Bundeswirtschaftsministerium anlässlich des Digital-Gipfels der Bundesregierung am 30. November 2020 veröffentlichte. Insgesamt offenbart die Umfrage, dass bei kleinen und mittelständischen Unternehmen großer Nachholbedarf besteht. Einige Branchen sind bei der Digitalisierung schon besser aufgestellt als andere:

  • Die Informations- und Kommunikationsbranche (IKT) lag wie erwartet mit 273 Indexpunkten weit über dem definierten Durchschnitt aller Branchen (100 Punkte).
  • Der Fahrzeugbau erreichte mit 193 Punkten die zweite Position. Danach folgten die Branchen Elektrotechnik und Maschinenbau (144 Punkte) sowie unternehmensnahe Dienstleistungen (135 Punkte).
  • Knapp unter der 100-Punkte-Marke schnitten Grundstoffe, Chemie und Pharma ab (99 Punkte). Auf noch weniger Zähler kamen Verkehr und Logistik sowie Handel (75 Punkte).
  • Als wenig digitalisiert stellten sich das sonstige produzierende Gewerbe (56 Punkte), die Tourismusbranche (64 Punkte) und das sonstige verarbeitende Gewerbe (67 Punkte) heraus.

Digitalisierung neu denken – wie Homeoffice selbst im Handwerk umsetzbar ist

Handwerksfirmen sind derzeit mit schwerwiegenden Auswirkungen auf ihre Auftragslage konfrontiert. Naturgemäß ist die Branche wenig auf Homeoffice eingestellt – Krisenzeiten erfordern jedoch teils ungewohnte Maßnahmen. Wie digitales Handwerk aussehen kann, dazu gibt es bereits einige Ideen:

  • Kundenkontakt sowie viele Verwaltungs-, Koordinations- und Dokumentationsaufgaben sind aus dem Homeoffice möglich. Dafür ist leistungsfähige Hardware (wie Laptop, Smartphone oder Tablet) mit integrierter Kamera notwendig.
  • Gute Audio- und Videotechnik mit dazugehöriger Software (wie z. B. Zoom oder Microsoft Teams) ist für die Kommunikation mit dem Team und Auftraggebern unabdingbar.
  • Weiterhin spielt der einfache Datenzugriff eine wichtige Rolle. Tools wie MeisterTask vereinfachen die Organisation und Verwaltung.
  • Eine schwache Auftragslage kann zudem als Anlass dienen, sich bislang vernachlässigten Projekten zu widmen. Vielleicht braucht die veraltete Webseite ein Update oder einer Ihrer Handwerker stellt sich als Social-Media-Talent heraus.

Tipp

Sie möchten wissen, wie digital Ihr Betrieb ist und wie Sie im Vergleich zu anderen Unternehmen dastehen? Der Digitalisierungsindex der techconsult bietet Ihnen dafür einen Self-Check an.

„Hybrides Arbeiten“ – was ist nötig?

Die Express-Digitalisierung hat den Weg für hybride Arbeitsmodelle geebnet. Die Idee hinter diesem Konzept: mobiles bzw. halbmobiles und bürobasiertes Arbeiten miteinander zu verknüpfen. Auf hybride Modelle wird die Zukunft der Arbeitswelt voraussichtlich hinauslaufen – denn das Homeoffice kommt zwar gut an, der Arbeitsplatz im Büro bietet aber in einigen Bereichen nach wie vor Vorteile.

Damit hybrides Arbeiten zukünftig funktionieren kann, brauchen Unternehmen einen detaillierten Plan. Die Auflistungen im Folgenden liefern Ihnen wichtige Anregungen.

Homeoffice einrichten – produktive Arbeitsumgebung schaffen

Woran es an der Arbeitseffizienz im Homeoffice oftmals scheitert, ist fehlende oder ungeeignete Technik. Analysieren Sie den Bedarf Ihrer Mitarbeiter und berücksichtigen Sie diese Aspekte:

  • Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes (Möbel)
  • Laptop oder Desktop-PC und zusätzliche Bildschirme
  • Internetverbindung
  • Lizenzen
  • Zugriff auf Firmenserver
  • technischer Support für Mitarbeiter

IT-Sicherheit im Homeoffice – keine Abstriche machen

Betriebe sollten sich dabei sowohl auf ihre IT-Infrastruktur als auch die interne Organisation fokussieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, einen Notfallplan aufzustellen. Denken Sie an folgende Punkte:

  • Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter im Homeoffice
  • geschäftliche Nutzung privater Endgeräte
  • Cyber-Risiken sowie Lösungen (Sicherheitssoftware, Proxy-Server etc.)
  • Datenschutz
  • Sofortmaßnahmen für den Ernstfall

Collaboration-Tools – Kommunikation und Zusammenarbeit fördern

Tools für die effektive Zusammenarbeit haben heute einen hohen Stellenwert – sie ermöglichen es Ihren Mitarbeitern, von unterschiedlichen Standorten aus gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Hier kommt es auf diese Investitionen an:

  • Plattformen wie Zoom oder Microsoft Teams für Telefonie und Videokonferenzen
  • Cloud-Speicher für einfachen Datenaustausch
  • Projektmanagement mithilfe von Tools wie OpenProject
  • Tools für kollaboratives Arbeiten, wie z. B. Miro (digitales Whiteboard)
  • Weiterbildungen für Mitarbeiter, um diese Lösungen nutzen zu können

Leadership und Unternehmenskultur – Remote-Teams führen

Virtuelle Mitarbeiterführung geht anders – zu dieser Erkenntnis sind sicherlich die meisten Führungskräfte im vergangenen Jahr gelangt. Wie der schmale Grat zwischen Vertrauen und Kontrolle gelingen kann, dazu gibt es verschiedene Konzepte. Beziehen Sie diese Faktoren in Ihre Überlegungen mit ein:

  • Wie lässt sich die Kommunikation verbessern?
  • Was erwarte ich von meinen Mitarbeitern? (Regeln)
  • Wie sollen Meetings ablaufen?
  • Welche Zielvereinbarungen möchte ich an mein Team stellen?
  • Wie kann ich meine Mitarbeiter bei ihrer Selbstorganisation unterstützen?
  • Wie stärke ich ein „Miteinander“?

Bürokonzepte neu denken – Flexibilität jenseits von Coworking-Spaces

Wenn Mitarbeiter häufiger im Homeoffice arbeiten, versteht es sich von selbst, dass weniger Bürofläche benötigt wird. Gleichzeitig sollte der Büroarbeitsplatz attraktiv gestaltet sein, um Anreize für die Belegschaft zu schaffen. Das geht unter anderem so:

  • Begegnungsstätte im Büro einrichten, die den Austausch zwischen Mitarbeitern fördert
  • Workshop- und Projektzonen
  • Desksharing bzw. Hot-Desking (flexible Arbeitsplatzverteilung)
  • Meeting-Bereiche, die eine Zusammenarbeit zwischen anwesenden und zugeschalteten Mitarbeitern ermöglichen
  • Entspannungsräume

Lassen Sie sich von diesen Tipps zu neuen Arbeitsmodellen inspirieren – denn die Digitalisierung macht schlussendlich vor keiner Branche Halt.