Jobschwund durch Technik – der VW-Umbau

Die Automobilbranche steht in den nächsten Jahren vor einem gewaltigen Umbruch: Dank E-Mobilität, Carsharing und dem autonomen Fahren werden künftig immer weniger Diesel und Benziner verkauft werden. Ein Trend, der große Autobauer wie Volkswagen zum Handeln zwingt. Die ohnehin vom „Dieselgate“ gebeutelten Wolfsburger kündigen deshalb eine E-Mobilitäts-Offensive an – die schlussendlich mehrere Tausend Arbeitsplätze gefährdet.

Ambitionierte VW-Pläne kosten bis zu 7.000 Stellen

Für die Arbeitnehmer in den VW-Werken war es ein Paukenschlag: Volkswagen will in den nächsten fünf Jahren fünf- bis siebentausend Stellen in der Verwaltung streichen. So sieht es ein aktuelles Strategiepapier der Konzernleitung vor. Gleichzeitig forciert der Automobilhersteller massiv das Thema Elektroauto: Statt der geplanten 15 Millionen E-Wagen will VW nun bis 2030 insgesamt 23 Millionen „Stromer“ auf die Straße bringen. Ein ambitionierter Plan, der laut Analysten aber wohl zwingend notwendig ist. Der Grund: Das klassische Geschäft mit Benzinern und Diesel-Autos wird weiter einbrechen. Laut einer Studie der Boston Consulting Group schrumpfen die Absätze von Autos mit Verbrennungsmotoren weltweit – im Jahr 2035 werden diese nur noch 60 Prozent der Gesamtumsätze ausmachen. Die Ursachen dafür liegen vor allem in der Energiewende und der Abkehr von fossilen Brennstoffen. Der Boom beim Carsharing – dem Nutzen eines einzelnen Automobils durch mehrere Personen – ist ebenfalls ein Grund für das nahende Ende des Ottomotors.

Volkswagen ist also gezwungen, den Transformationsprozess der gesamten Branche zu beschleunigen, und will sich durch die neue Strategie als Elektro-Pionier darstellen – sehr zum Verdruss anderer Automobilkonzerne. Denn viele Hersteller setzen derzeit große Hoffnungen in die Hybridtechnologie, bei der in einem Pkw sowohl ein Verbrennungsmotor als auch ein elektrischer Antrieb arbeiten. Gerade Fabrikanten von Luxuskarossen, wie etwa BMW oder Daimler, haben derzeit allerdings mit technischen Herausforderungen zu kämpfen, um ihre großen Boliden ausschließlich mit E-Antrieb zum Rollen zu bringen. Zwar lancieren diese Hersteller reine Elektroautos am Markt, doch in puncto Reichweite können BMW i3, Mercedes-Benz B 250 e & Co. aktuell nicht recht überzeugen. Hinzu kommt, dass E-Mobilität im Jahr 2019 einen stolzen Preis hat: Ein BMW i3s 94Ah schlägt mit über 40.000 Euro zu Buche, ein Mercedes-Benz B 250 e kostet aktuell 39.000 Euro. Derzeit scheuen sich Käufer, solche Preise für ein Auto zu bezahlen.

VW plant E-Mobilität für alle Käuferschichten

Um bezahlbare Elektroautos für die Mittelschicht zu etablieren, dreht der VW-Konzern an einer weiteren finanziellen Stellschraube: Ein Sparkurs inklusive massiver Stellenstreichungen soll dafür sorgen, die hohen Investitionen in die Elektromobilität stemmen zu können. Und diese Kosten sind immens: Allein im Jahr 2017 verzeichnete VW Ausgaben in Höhe von 13,1 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung. Neue Produktionsanlagen wollen ebenso bezahlt werden, denn die Abkehr vom Verbrennungsmotor hin zur E-Mobilität verlangt VW erhebliche strukturelle Veränderungen ab.

E-Mobilität hat im Jahr 2019 noch Ladehemmungen

Ob sich die Bemühungen von Volkswagen auf lange Sicht rentieren werden, steht derzeit in den Sternen. Gerade einmal 83.200 Elektroautos fahren auf deutschen Straßen (Stand 1. Januar 2019). Im Vergleich zu insgesamt 47,1 Millionen zugelassenen Pkw ist das ein verschwindend geringer Wert. Um die Nachfrage für E-Autos zu erhöhen, sind außerdem weitere Maßnahmen notwendig – wie etwa der flächendeckende Ausbau von Ladestationen, von denen es derzeit nur gut 13.000 deutschlandweit gibt.

Doch der technische Fortschritt wird wahrscheinlich weiter florieren und der E-Mobilität Aufschwung verleihen: Die Preise für Lithium-Ionen-Akkus sanken seit dem Jahr 2007 bereits um 80 Prozent – auch deshalb könnten sich E-Autos bald im Massenmarkt etablieren. Der unermüdliche Erfindergeist ist ein weiteres Kriterium pro Elektromobilität: Die Forschung an neuen Technologien, wie der innovativen Magnesiumbatterie oder dem Wasserstoffantrieb, ist weiterer geistiger Treibstoff für die Entwicklung in Richtung „Fahren ohne Abgase“.

Leidtragende beim Abschied vom Benziner und Diesel sind Tausende Verwaltungsbeschäftigte bei Volkswagen: Sie verlieren wegen der ambitionierten Konzernpläne nun ihren Job. Doch die Wolfsburger Belegschaft reagiert recht verhalten auf die Ankündigung, Arbeitsplätze zu streichen. Erstens sind durch einen Beschäftigungssicherungs-Pakt betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2025 ohnehin nicht möglich – die Beschäftigten haben also noch eine gewisse Schonfrist. Zweitens entstehen in der VW-Softwareentwicklung durch den strukturellen Wandel in anderen Betriebsbereichen Tausende neue Arbeitsplätze. Trotz dieser Tatsachen macht die Personaldecke bei ausländischen Autoherstellern klar, dass der Bau eines E-Mobils auch mit einer deutlich kleineren Belegschaft vonstattengehen kann. Es ist also durchaus möglich, dass das Projekt E-Mobilität in den nächsten Jahren weitere Jobs gefährdet – nicht nur bei Volkswagen!