Wocheneinkauf 2.0: AmazonFresh & Co.

Den Wocheneinkauf bei Amazon Fresh per Mausklick erledigen – Online-Lieferdienste für Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs sind an sich nichts Neues. Doch erst seit dem Aufkommen der Corona-Pandemie boomt das Geschäft mit dem virtuellen Warenkorb – denn Menschen verbringen heute mehr Zeit zu Hause und sparen sich den Gang zum Supermarkt. Was hat sich im Corona-Jahr 2020 verändert und welche neuen Anbieter sind dabei? Erfahren Sie hier mehr über die aktuellen Entwicklungen.

 

Online-Lebensmittelhandel
tritt aus seinem Nischendasein heraus

Amazon Fresh ist mit seinem Frische-Lieferdienst seit 2017 auf dem deutschen Markt dabei. Die Supermarktkette REWE startete bereits 2011 mit einem Konzept aus Abhol- und Lieferdienst in Frankfurt – damals als erster Lebensmittelhändler in Deutschland. Die Akteure vertrauten auf hohes Potenzial, insbesondere in Ballungsgebieten.

Tatsächlich blieben die Umsatzzahlen hinter den Erwartungen zurück. Die EHI-Studie „Lebensmittel E-Commerce 2018“ zeigt, dass deutsche Kunden sich beim Online-Lebensmittelkauf im europaweiten Vergleich eher zurückhielten: Die umsatzstärksten Anbieter Amazon.de und HelloFresh.de schafften es gerade einmal in die Umsatzklasse von 100 bis 200 Millionen Euro. REWE.de erreichte die nächste Umsatzklasse darunter (50 bis 100 Mio. Euro).

Im Vereinigten Königreich erzielten dagegen gleich drei Online-Supermärkte (Asda.com, Sainsburys.co.uk und Tesco.com) Umsätze von 500 Mio. bis 1.000 Mio. Euro. Der Vorstandsvorsitzende der REWE Group, Lionel Souque, zog noch kurz vor der Corona-Krise im Februar 2020 folgendes Resümee in einem Interview mit der WirtschaftsWoche: Das Wachstum sei „eher linear als exponentiell“.
Doch es sollte anders kommen, als die Prognosen vermuten ließen: Dank veränderten Einkaufsverhaltens infolge der Corona-Krise konnten Online-Lieferdienste hohe Umsatzsteigerungen verbuchen. Der E-Commerce-Umsatz in der Kategorie Lebensmittel verzeichnete 2020 laut bevh (Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V.) ein Plus von 67 Prozent auf 2,67 Milliarden Euro – und erzielte damit die höchsten Zuwächse im gesamten E-Commerce.

Während der Pandemie kauften rund 10 Prozent aller deutschen Verbraucher ihre Lebensmittel online ein – zu diesem Ergebnis kam eine Befragung von Manhattan Associates Inc. im Oktober 2020. Im Vergleich dazu gaben bei einer Forsa-Umfrage 2019 gerade einmal drei Prozent an, Lebensmittel online zu bestellen. Häufig mussten Händler ihre Warenmanagement-Systeme jedoch erst umstellen, weshalb der Online-Einkauf gerade in der Anfangszeit aufgrund eines Mangels an verfügbaren Lieferzeitfenstern für viele Kunden scheiterte. Die Corona-Krise wirkte also auch in diesem Bereich klar als Innovationstreiber.

 

Online-Supermärkte: die Big Player im Überblick

Der Siegeszug des E-Commerce als Erbe des klassischen Einzelhandels macht vor der Lebensmittelbranche nicht halt. Jahr für Jahr wachsen die Online-Umsätze Anbieter von sogenannter „Fast Moving Consumer Goods“ – also Produkten, die häufig nachgekauft werden. Aktuell können Sie bei so gut wie allen Supermärkten Ihre Lebensmittel auch online bestellen und sich die Waren gekühlt nach Hause liefern lassen bzw. im Markt oder an der Abholstation in Empfang nehmen. In ländlichen Gebieten gibt es zumindest haltbare Lebensmittel per Post. Das Abholsystem Click & Collect ist spätestens seit dem erneuten Lockdown Anfang 2021 in zahlreichen Geschäften etabliert.

REWE baute dafür sein dichtes Netz an über 1.000 Abholstationen aus. Das Konzept der Abholung unabhängig von regulären Ladenöffnungszeiten verfolgen dennoch längst nicht alle Supermärkte: Edeka schloss seine Abholboxen im Oktober 2020, die an drei Standorten in Südbayern zu finden waren. Kunden können jedoch weiterhin ihren Online-Einkauf in der örtlichen Filiale abholen..

In den vergangenen Jahren traten zudem vermehrt reine Online-Lebensmittellieferanten auf den Plan, um sich ein Stückchen vom E-Commerce-Kuchen zu sichern. Zu den bekanntesten Unternehmen zählen u. a. das Unternehmen food.de, die E-Commerce-GmbH myTime.de, die Edeka-Tochter bringmeister.de und das niederländische Start-up Picnic.

Dass der hart umkämpfte Markt der Online-Lebensmittel erhebliches Potenzial bietet, hat nicht zuletzt Branchenriese Amazon erkannt. Für Amazon Pantry war im Sommer 2020 Schluss. Dafür folgte eine Expansion von Amazon Fresh und Prime Now:

  • Bei Amazon Fresh können Verbraucher in Berlin, Potsdam, Hamburg und München ihre Lebensmittel noch für die Lieferung am selben Tag (oder für die nächsten drei Tage) bestellen. 
  • Eine Kooperation mit der Supermarktkette Tegut bringt den Lieferdienst via Prime Now nun auch nach Frankfurt Süd und in den Großraum Darmstadt. Wenn das Konzept in Südhessen gut anläuft, sollen weitere Ausweitungen des Lieferdienstes folgen.

 

Anbieter von Kochboxen verzeichnen Millionen-Umsätze

Ebenfalls auf dem Vormarsch sind Anbieter sogenannter Kochboxen. Die Geschäftsidee dahinter: Kunden erhalten per Post ein konfektioniertes Lebensmittel-Paket, das sämtliche Zutaten für ausgewählte Gerichte beinhaltet. Trotz der Kritik um enorme Mengen an Verpackungsmüll sind Kochboxen ein wachsendes Erfolgsmodell:

  • Alleine der Branchenprimus HelloFresh steigerte im 3. Quartal 2018 seinen Umsatz um fast 40 Prozent auf 302 Millionen Euro. Seit November 2017 ist das Unternehmen mit Sitz in Berlin börsennotiert. 
  • Für 2020 meldete HelloFresh einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 107 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. 
  • Die meisten Kunden hat das Berliner Unternehmen jedoch in den USA, wo HelloFresh zwischenzeitlich sogar aufgrund der Nachfrageexplosion keine weiteren Neukunden mehr beliefern konnte.

Auch andere Kochbox-Lieferanten punkten mit guten Umsatzzahlen: So generierte Marley Spoon im Jahr 2018 einen Umsatz von gut 53 Millionen Euro. 2020 verdoppelte der Anbieter seine Umsätze gegenüber 2019 und kam auf insgesamt 254 Millionen Euro. Das zu Lidl gehörende Start-up Kochzauber konnte hingegen den Kampf gegen seine Konkurrenten nicht bestehen – und stellte nach hohen Verlusten den Betrieb im März 2019 ein.

 

Online-Lebensmitteleinkauf:
Was ist neu, wer hat noch profitiert?

2020 war ein spannendes Jahr für den Online-Lebensmittelhandel – davon konnten auch kleinere Anbieter und Start-ups berichten:

  • In Berlin nutzte der neue Lieferdienst Gorilla die Gunst der Stunde und stellte 2020 erstmals seine „10-Minuten-Lebensmittel-Lieferung“ per App vor. Nach dem erfolgreichen Start in Prenzlauer Berg expandierte das Unternehmen und ist mittlerweile in weiteren Berliner Stadtteilen sowie in Köln, München, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart verfügbar.
  • My Fresh Farm Hamburg beliefert die Hansestadt seit 2014 mit Obst fürs Büro und Gemüsekisten für zu Hause. Für Kunden, die sich nicht im Liefergebiet befinden, bietet My Fresh Farm einen UPS-Express-Versand an. Weitere Anbieter von Gemüse-Abos und Biokisten sind z. B. Die Gemüsekiste in Südhessen, Der Landkorb vom Lindenhof in Rohrlack und NOVUM – Das Gemüseabo. Viele von ihnen passten ihr Geschäft an, um der erhöhten Nachfrage seit der Corona-Pandemie gerecht zu werden.
  • Der Getränkelieferant Flaschenpost expandierte gerade in den vergangenen Monaten stark: 2020 und 2021 kamen mit Langenfeld, Berlin, Bielefeld, Recklinghausen, Augsburg, München etc. zahlreiche neue Standorte hinzu. Ende 2020 kaufte der Oetker-Konzern den erfolgreichen Lieferdienst. 
  • Der Online-Supermarkt Picnic kam bereits 2018 von Amsterdam nach Nordrhein-Westfalen. 2020 wuchs das Unternehmen weiter und baute sein drittes Logistikzentrum. Eine Expansion außerhalb der Landesgrenzen von NRW blieb jedoch bislang aus.
  • Real stellte seinen Onlineshop für Lebensmittel im September 2020 ein. Als Grund dafür gab die Handelskette eine schwache Nachfrage an. Daran konnte scheinbar auch die Corona-Pandemie nichts ändern. Da die Real-Märkte infolge der genehmigten Zerschlagung jetzt unter anderem von Kaufland übernommen werden, dürfte es aber bald ein neues Online-Angebot geben. 
  • Bei dem Online-Supermarkt Getnow (Lieferdienst für Artikel von Metro) lief es 2020 ebenfalls trotz Wachstum finanziell nicht gut, da eine benötigte Wagniskapital-Finanzierung scheiterte. Nach dem Insolvenzantrag kam es nun 2021 zur Übernahme durch die LIS GmbH. Den Paketversand von Lebensmittel bietet das Unternehmen dank neuem Investor weiterhin an. .